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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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und Abscheu, mit welcher sie der vergangenen Pracht gedachten.
    »Als Sie weggingen, Kley, mit der ›Eleonora Kröger‹ – war’s nicht September 1938? – da hatte sich ja kaum noch was abgespielt bei uns – abgesehen von den Lagerberichten, die wir nicht glaubten, für Greuelmärchen der Kommunisten hielten. Ja, aber dann im November kam der Glaube über uns, da klirrten die Fensterscheiben, flogen die Möbel auf die Straße, brannten die Synagogen, verschwanden jüdische Bürger in den Fleeten; war fremde SA. nach Hamburg kommandiert worden, weil die hamburgische nicht recht ran wollte. Und von da an betrieben wir alle unsere Auswanderung. Und als ich nächsten Frühling in Zollangelegenheitenunten zu tun hatte, in unserem Hafen von einst, da war ich Zeuge, wie die vier Hingerichteten aus dem Reeperbahnprozeß zurückkamen. Wieder auferstanden – auf neumodische, reichlich unerwartete Weise.« (Unter den Menschen, nach denen Oberleutnant Kley gefragt hatte, hatte sich auch ein gewisser Teetjen befunden, Albert Teetjen, Schlächtermeister, von welchem aber Captain Plaut sich nicht erinnerte, je gehört zu haben. Durch ihn aber war jene alte Geschichte wieder aufgewärmt worden, und so kam Captain Plauts Bericht zustande. Den Namen Koldewey zu erwähnen, hatte Wilhelm Kley bis auf weiteres unterlassen.)
    »Es mußte wohl aus Cuxhaven telephonische Meldung eingelaufen sein, denn eine Menge Uniformierter trieb sich plötzlich unten herum, braune und schwarze SA. und SS. Und dann, mit Tuten und Blasen landeten vier Frachter in unserem Becken, nagelneue Schiffe, dreitausend Tonnen jedes, unter der Sowjetflagge, mit Hammer und Sichel. Das wäre noch nichts Ungewöhnliches gewesen, in unserem Hafen zeigen alle seefahrenden Nationen ihre Flaggen, und das Dritte Reich unterhielt Handelsbeziehungen mit allen. Aber die Aufregung, die diese vier breitgebauten Frachter mit ihrem funkelnagelneuen roten und schwarzen Anstrich erzeugten, die verstand ich, nachdem ich mir vom Zollinspektor Lawerenz das Fernglas ausgebeten hatte, um selber zu lesen, was die Leute rund um uns einander zuriefen: ›So ’ne Frechheit! Echt russische Unverschämtheit! Na, die werden was erleben!‹ – Da standen nämlich, mit frischen Buchstaben weiß gemalt, Namen auf den Schiffen, auf der Backbordseite wie sich’s gehörte, und die hießen: ›F. Timme‹, ›W. B. Mengers‹, ›F. Merzenich‹, ›K. Schröder‹.« –
    »Donnerwetter«, murmelte Wilhelm Kley, die Augen quer über der Bucht auf den weißen Felsen von Ras-en-Nakura. »Starkes Stück!« Und er sog an seiner Pfeife: »Weiter, Rabbi!«
    »Was dann passierte, erfuhr ich erst später; Inspektor Lawerenz berichtete es mir bei unserer nächsten dienstlichen Zusammenkunft. Die Russen hatten kaum die Landungsbrücke erreicht, ihr Fallreep herausgehängt, da strömten unsere Uniformierten mit Fährbooten zu ihnen hin und füllten das erste von den vier Bootenmit einer Masse Bewaffneter. ›Diese Namen müssen sofort entfernt werden‹, verlangte der kommandierende SS.-Mann, Herr Klaas Vierkant vom Sturme Preester, Reeder Fooths Privatsekretär, der später wegen seiner Bestialitäten von den Russen im Charkower Prozeß gehängt wurde. Damals nun war er noch ganz zivil und poliert und dachte sich nichts Schlimmes – wies nur mit einer Handbewegung auf seine Leute hin und erwartete, seine Worte würden Wunder tun. Und das taten sie auch, aber anders, als er dachte. Der russische Kapitän – in seiner Kabine spielte sich das ab – drückte nur auf eine Klingel und pfiff gellend – er war ein junger Mann, nicht älter als Herr Vierkant, kleiner und breiter, kurzgeschoren und sprach tadelloses baltisches Deutsch. Und als er so pfiff, füllten sich die Gänge rechts und links von der Kabine mit seinen Mannschaften, und die hatten Maschinenpistolen in den Händen, und die Heizer kamen herauf mit ihren eisernen Stangen und Zangen. ›Sie haben wohl vergessen, meine Herren‹, sagte der Kapitän in großer Ruhe, und seine Augen kann ich mir gut vorstellen, wie die gefunkelt haben müssen, ›Sie haben wohl vergessen, meine Herren, daß Sie sich hier auf russischem Boden befinden. Ich gebe Ihnen dreißig Sekunden Zeit, mein Schiff zu verlassen. Eins, zwei, drei ...‹ – Die Russen, sehen Sie, waren vorbereitet. Sie hatten wohl so etwas Ähnliches erwartet. Und bei zwanzig sah der Kapitän nur noch die Hinterköpfe der letzten, die aus der Kabine drängten, und hörte die Stiefel und

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