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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seinem Lieblingsmöbel, das er aus dem Gartensaal zu sich genommen hatte, nicht weil es besonders wertvoll war – da gab es im Schloß hundertmal kostbarere Möbel, sondern weil es sich bequem darauf ausruhen ließ. Man konnte sich langstrecken, hatte immer einen warmen Rücken durch die hohe Lehne und ein festes Polster unter sich. Er hatte einen alten Katalog vor sich und blätterte darin herum. In ihm waren alle Kunstgegenstände aufgeführt, die im Katharinen-Palast einmal zu besichtigen gewesen waren, als ganz Zarskoje Selo noch ein riesiges, in der Welt einmaliges Museum gewesen war. Selbst jetzt, nachdem sich die russischen Sondereinheiten zurückgezogen hatten, war noch genug vorhanden, um das Herz jedes Kunstsachverständigen höher schlagen zu lassen.
    Wachter blickte auf, als Jana Petrowna in die Wohnung kam.
    »Sie sind da, Väterchen«, sagte sie und ließ sich in einen Sessel fallen. – »Jana!«
    Sie verzog den Mund und nickte. »Herr Wachter … ich weiß. Geführt werden sie von einem älteren, geilen, widerlichen Offizier. Er will mich morgen abend abholen und mir alles zeigen. Ich weiß, was er mir zeigen will!«
    »Natürlich gehst du nicht hin.« Wachter musterte sie forschend. »Oder …?«
    »Verstecken werde ich mich.« Sie nahm einen Schluck von dem kalten Tee, der in einer großen Tasse auf dem Tischchen stand. Überrascht zog sie das Kinn an und holte tief Atem. »Da ist ja Wodka drin!«
    »Ja. Ein wenig.«
    »So wenig, daß es einem die Kehle durchbrennt!«
    »Töchterchen –«
    Jetzt rief sie: »Herr Wachter!« und hob mahnend die Finger. Doch dabei lachte sie.
    »Fräulein Rogowskij … So ein Tee beruhigt die Nerven. Ich habe es nötig.« Wachter legte den Katalog auf das Sofa. »Was haben Sie erfahren?«
    »Sie tun so, als wollten sie morgen das Bernsteinzimmer ausbauen.«
    »Haben sie das gesagt?«
    »Ich habe gehört, wie einer der Offiziere zu einem anderen leise sagte: ›Wie kriegen wir diese Deckenmalerei heil heraus?‹ Das heißt doch, daß sie das Zimmer mitnehmen.«
    Wachter erhob sich von seinem Sofa und zog seine dünne Jacke über das Hemd. »Ich sehe mir das mal an«, sagte er mit belegter Stimme. »Vielleicht ist das unser Glück. Da streiten sich zwei Nazi-Räuber um die gleiche Beute. Bis sie sich einig sind, wer weiß, wie dann die Welt aussieht? Sie verändert sich jetzt von Tag zu Tag.«
    Er verließ die Wohnung, ging langsam von seinem Wohntrakt durch das Schloß. Die an ihm vorbeieilenden Soldaten, meist Offiziere der Stäbe, beachteten ihn nicht. Aus zwei Sälen, in denen Mannschaften sich niedergelassen hatten, erklangen Lachen, Stimmengewirr und zog der Geruch von vielen Zigaretten auf die Gänge. Er begegnete dem Adjutanten von General von Kortte, der ihn freundlich grüßte, und betrat dann das Bernsteinzimmer. An der Tür blieb er stehen und sah eine Weile stumm zu, wie die Experten des ›Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg‹, die einige der Verkleidungen von den Wänden wieder herausgerissen hatten, nun voll staunender Bewunderung davorstanden. Sie sahen das Bernsteinzimmer zum erstenmal. Bisher kannten sie es nur von Fotos und aus Beschreibungen.
    Müller-Gießen spürte, daß jemand den Raum betreten hatte und ihn musterte. Es war ihm, als sei ein Brennglas auf seinen Nacken gerichtet. Schnell drehte er sich um und starrte Wachter böse an.
    »Wer sind Sie denn?!« fragte er in scharfem Ton. »Wie kommen Sie hier herein?!«
    »Durch die Tür, Herr Major.«
    »Lassen Sie diese dämlichen Bemerkungen!« bellte Müller-Gießen. »Raus mit Ihnen! Halt! Hiergeblieben! Wieso kommen Sie als Zivilist in dieses Schloß?!«
    »Ich gehöre zum Palais. Ich wohne hier«, sagte Wachter, ohne sich von der Tür zu rühren.
    »Wie lange denn?«
    »Von meiner Geburt an.«
    »Aahh –« Das klang gedehnt und angriffslustig. »Ein Russe also?!«
    »Nein, ein Deutscher.« Wachter machte eine weite Handbewegung, die das ganze Zimmer umfaßte. »Ich verwalte das Bernsteinzimmer.«
    »Seit wann?!«
    »Seit 1716 …«
    Müller-Gießen verzog sein Gesicht, als habe er Essig getrunken. Doch dann brüllte er los, und brüllen konnte er vorzüglich. Er benutzte dabei wie ein Sänger die Zwerchfellatmung.
    »Sie Idiot! Was nehmen Sie sich heraus?! Sie o-beiniger Zivilist! Ich werde Ihnen abgewöhnen, sich über andere lächerlich zu machen! Wer ist Ihr Vorgesetzter?!«
    »Ich habe keinen Vorgesetzten.«
    »Sie haben keinen … Mann, wer ernährt Sie denn? Bei wem sind Sie

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