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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus den eroberten Schlössern, Bibliotheken, Klöstern und Museen zu?
    Am 19. September 1941, als der Einschließungsring um Leningrad geschlossen war und Generalfeldmarschall Ritter von Leeb, der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord, den Artilleriebeschuß der Stadt zur Demoralisierung der Bevölkerung befahl – ein Bombardement, das 18 Stunden dauerte, 18 Stunden lang ein Regen von Granaten –, hatte Gauleiter Koch seinen Vertrauten, den Gauamtsleiter Bruno Wellenschlag, und den Direktor der Kunstsammlungen der Stadt Königsberg, Dr. Wilhelm Findling, zu einem Glas Wein in seine Wohnung eingeladen. Dr. Findling, mehr ein ernster und stiller Mensch, der die Wissenschaft liebte, als ein Zechkumpan, hatte vor der Einladung noch kräftig gegessen und sich Magnesiumpillen eingesteckt. »Das wird wieder eine Sauferei!« hatte er zu seiner Frau gesagt. »Koch hat angerufen.«
    Sie saßen nun in tiefen Sesseln, tranken zum Auftakt des gemütlichen Abends eine Flasche französischen Kognak und hörten Erich Koch zu, der nichts Neues oder Bewegendes berichtete: Er lobte des Führers Tatkraft, Rußland in einem Sturmlauf ohne Beispiel niederzuzwingen. Die ›Ostmark‹, wie Koch die eroberten Gebiete nannte, würden einmal die Kornkammer und das Gemüsebeet des Reiches werden. Plötzlich aber unterbrach er sich selbst und beugte sich zu Dr. Findling vor.
    »Kennen Sie Puschkin?« fragte er.
    »Ja. Das alte Zarskoje Selo, Herr Gauleiter.«
    »Schloß an Schloß, nicht wahr?«
    »Vor allem zwei: Der Katharinen-Palast und das Alexander-Palais.«
    »Sie waren schon dort?«
    »Dreimal, Herr Gauleiter.«
    »Dann kennen Sie ja auch das Bernsteinzimmer.«
    »Aber bestens. So etwas gibt es nie wieder. Das größte Kunstwerk, das jemals aus Bernstein hergestellt wurde. Wie der Führer es ausdrückte: Das deutsche Gold der Ostsee. Seit Jahrhunderten nennt man es auch den ›Sonnenstein‹.«
    Dr. Findling nahm einen tiefen Schluck Kognak. An Bernstein konnte er sich begeistern wie Koch an einer schönen Frau. Die berühmte Königsberger Bernsteinsammlung lagerte in seinen Städtischen Kunstsammlungen, atemberaubende künstlerische Bernsteinarbeiten und ein Kleinod von Millionenwert: ein Kabinettschrank mit Flügeltüren und Schubladen, alles in leuchtendem Bernsteinmosaik. Er hatte ein paar enthusiastische Bücher geschrieben und war seither als Bernsteinfachmann international angesehen.
    »Ich weiß, Herr Gauleiter«, sagte er jetzt, »woran Sie denken.«
    »Genau an das, Dr. Findling.« Koch war in bester Stimmung. Der Kognak war gut, und die Frau, die Bruno Wellenschlag ihm für den Rest des Tages zugeführt hatte, schien vorzüglich. Sie wartete im Schloß in einem abgelegenen Zimmer, das Koch seinen Reitstall nannte.
    »Das Bernsteinzimmer. Sie möchten es gern in Königsberg haben …«
    »Möchten? Ich will! Hierher gehört es, hier ins Schloß, und nirgendwo anders hin! Dr. Findling, können Sie sich vorstellen, wie das sein wird: Das Bernsteinzimmer hier bei uns im Schloß?!«
    »Ein geradezu märchenhafter Gedanke, Herr Gauleiter.«
    »Kein Märchen! Ich lasse es wahr werden! Ich schaffe das.«
    »Da gibt es doch für außergewöhnliche Kunstwerke den ›Führervorbehalt‹. Das Zimmer fällt bestimmt darunter.«
    »Und wenn … ich werde mit Bormann sprechen. Nur ich kann das. Habe ich nicht dafür gesorgt, daß am dritten Mai 1933 ein Gesetz zum Schutze des Bernsteins erlassen wurde?«
    »Das war eine epochale Tat, Herr Gauleiter.«
    Dr. Findling meinte das ehrlich. Wenn es um Bernstein ging, schob sein Enthusiasmus alles andere beiseite, auch seine politischen Ansichten. Er war weder Parteimitglied noch in sonst einer Organisation, mit Ausnahme des NS-Beamtenbundes, und das auch nur, um seine Stellung als Museumsdirektor zu behalten und die Kunstschätze nicht in die Hände eines Heil-Hitler-Nazis fallen zu sehen. Er hatte keinen NS-Rang, hatte nie eine Uniform getragen mit Ausnahme im Ersten Weltkrieg, wo er es bis zum Unteroffizier gebracht hatte, weil – so sagte man ihm – er zu dämlich sei, um Offizier zu werden. Er sah lieber einen van Gogh an als ein Maschinengewehr – mit einer solchen Einstellung konnte man kein Soldat sein. Nicht in der kaiserlichen Armee. Mit Gauleiter Koch verband ihn nur, daß dieser auch im Schloß residierte und den Bernstein besonders liebte. Sonst hielt er auf Distanz bis auf die Saufabende, denen er nicht immer ausweichen konnte, denn so viele Ausreden hätten selbst Koch

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