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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zum Chinesischen Zimmer führte.
    Von Kortte tat es wohl, gleich bei ihrem Eintritt zu sagen: »Meine Herren, den Weg hätten Sie sich sparen können. Das Auswärtige Amt war schneller. Sie kommen zwei Tage zu spät. Alle Kunstschätze sind bereits katalogisiert. Möchten Sie einen Kognak zur Beruhigung?«
    Der Major, er stellte sich als Heinrich Müller-Gießen vor, verbarg nicht seine Enttäuschung. Er machte vor von Kortte eine knappe Verbeugung. »Verbindlichsten Dank, Herr General«, sagte er. »Uns war unbekannt, daß die Kameraden vom AA schon hier waren.«
    »Aha! Es schwirren also noch mehr Trupps herum, um Kunstwerke sicherzustellen? Man sollte eine Koordination versuchen und nicht Hase und Igel spielen.«
    Major Müller-Gießen überhörte den Spott, nahm sich aber vor, solche Bemerkungen in seinem nächsten Bericht an Rosenberg zu erwähnen. Schließlich war Rosenberg der neue Reichsminister für die besetzten Ostgebiete und sein ›Sonderstab Bildende Kunst‹ als erster damit beauftragt worden, das gigantische Kunstprojekt Linz des Führers mit außergewöhnlichen Kunstschätzen zu füllen. Zudem lag ein Vorschlag Rosenbergs bei Hitler vor, seinem Einsatzstab das alleinige Recht der Sammlung zu übertragen und alle bisher von anderen Organisationen sichergestellten Kunstgegenstände in seine Verwaltung zu geben.
    »Wir möchten trotzdem das Schloß besichtigen, Herr General«, sagte Müller-Gießen unbeeindruckt. »Wir haben einen Auftrag von höchster Stelle, den wir erfüllen müssen.«
    »Bitte, ich hindere Sie nicht.« General von Kortte machte, wie bei Dr. Wollters, eine allesumfassende Handbewegung. »Registrieren Sie, zählen Sie, bewerten Sie … wie heißt's so schön? Doppelt genäht, hält besser.«
    Dieses Mal saß nicht Wachter auf seinem Schemel im Bernsteinzimmer, Jana Petrowna stand im Saal, als Müller-Gießen und die anderen Sachverständigen eintraten. Mit hochgezogenen Brauen betrachtete sie die graugrünen Uniformen.
    »Ah, ein kunstliebendes Schwesterchen!« sagte Müller-Gießen, plötzlich wieder gut gelaunt. Wie für die meisten Soldaten war auch für ihn eine Rote-Kreuz-Schwester zuerst ein Objekt männlichen Interesses. »Nicht wahr, das ganze Palais ist ein Wunderwerk der Kunst. Aber hier, das Bernsteinzimmer, ist einsame Klasse. Nur sehen Sie leider jetzt nicht viel. Die ganze Pracht werden wir Ihnen dann nach dem Sieg in Linz zeigen. Es wird sich lohnen, nach Linz zu kommen.«
    »Bestimmt werde ich nach Linz kommen, bestimmt … wenn das Bernsteinzimmer dort sein wird.« Janas Lächeln bezauberte Müller-Gießen in Sekundenschnelle. Er war Professor für Kunstgeschichte, schon Anfang Fünfzig, und zu Hause in Würzburg wartete eine etwas dickliche Frau auf ihn und eine Tochter, die Lehrerin war.
    Mit fünfzig Jahren kann einen das Lächeln einer hübschen Krankenschwester bis ins Herz treffen. Müller-Gießen versuchte es mit einem uralten Trick. Er sagte charmant: »Die Kunst nimmt Sie gefangen, Schwesterchen? Darf ich den Gefangenenwärter spielen? Ich erkläre Ihnen gern die Schätze des Katharinen-Palastes. Staunen werden Sie, wo Sie hier sind. Wie wär's mit heute abend?«
    »Da habe ich Dienst.« Janas Lächeln verstärkte sich. Instinktiv spürte sie, daß dieser Mann in der Offiziersuniform ein wichtiger Mann war.
    »Dann morgen?«
    »Wie lange bleiben Sie in Puschkin?«
    »In Puschkin? Bestimmt fünf Tage. Wir haben auch noch die anderen Paläste zu besuchen und aufzulisten.« Müller-Gießen spürte ein Jucken unter den Haarwurzeln und genoß dieses Gefühl. Es war wie damals am 29. August 1940, als er in Frankreich die Kathedrale von Chartres besichtigte und dabei Lucienne Dambrous kennenlernte. Sie war ein süßes, neunzehnjähriges Mädchen gewesen mit schulterlangen blonden Haaren und hatte ihn seelisch völlig außer Kontrolle geraten lassen, als sie die Nächte bei ihm blieb. Er überschüttete sie mit Schokolade, Wein, Kognak und kleinen Kunstwerken, die er in Kirchen und Museen ›sicherstellte‹. Jetzt stand ihm eine schwarzhaarige Schönheit gegenüber, blinzelte ihn an, und unter seiner Kopfhaut juckte es. »Also dann morgen abend«, sagte Müller-Gießen forsch. »Schwesterchen, ich zeige Ihnen alles, was Sie wollen.«
    Die anderen Herren in seiner Begleitung, ausnahmslos Kunstwissenschaftler, grinsten breit. Ja, der Major, das war ein Draufgänger … im wahrsten Sinne des Wortes.
    Michael Wachter saß in seinem Wohnzimmer auf dem Biedermeier-Sofa,

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