Das Beste aus 40 Jahren
Damon war einfach noch zu jung“, räumte Alex ebenso offen ein. „Aber Vivien unterstützte sie, und mein Vater sah keinen Grund, seine Zustimmung zu verweigern.“
Immer noch bleich vor Schock, verschränkte Sarah die Arme schützend vor der Brust.
„Die hier kannst du auch haben. Ungeöffnet.“ Alex reichte ihr ein Bündel Briefe. Sarah erkannte auf den Umschlägen Callies zierliche Handschrift.
„Er hat sie also nie bekommen“, flüsterte Sarah.
„Ich habe nicht an ihre Schwangerschaft geglaubt“, erinnerte Alex sie kurz angebunden.
„Damon aber! Du hattest kein Recht, ihm die Briefe vorzuenthalten!“ Sarahs Stimme bebte. „Callie war keine Mata Hari, die ihn verführt und von seiner Familie weggelockt hat! Sie war ein Teenager, und ob verheiratet oder nicht, er hatte die Verantwortung für sie …“
Alex warf Sarah einen abschätzenden Blick zu. „Ich bin nicht mein Bruder.“
„Aber du hast dich eingemischt …“
„Weil das Glück unschuldiger Kinder und der Frieden meiner Familie auf dem Spiel standen“, stieß Alex ohne eine Spur von Bedauern hervor. „Meiner Meinung nach ist es die Frau, die Nein sagen muss …“
„Du heuchlerischer …“ Sarah versagte die Stimme.
„Deine Schwester wusste, dass Damon verheiratet war. Sie hat ihre Entscheidung getroffen und mein Bruder seine. Er kehrte zu seiner Frau zurück.“
Sarah presste sich die Hände gegen die klopfenden Schläfen.
„Abendessen“, erinnerte Alex sie trocken von der Tür her.
„Der Appetit ist mir vergangen. Ich glaube, ich gehe ins Bett“, sagte sie leise.
„Allein – in unserer Hochzeitsnacht?“
Ungläubig sah Sarah ihm in die funkelnden goldbraunen Augen und hatte das Gefühl, eine Marionette zu sein. Sie verkrampfte sich, ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Es geht mir nicht gut, dachte sie, nur deshalb fühle ich mich so seltsam.
„Ich komme später zu dir“, sagte Alex weich und wandte sich zur Tür. „Ich kann es nicht abwarten, bis du dich zurücklegst und an den Ruhm Griechenlands denkst.“
„Wie bitte?“
Doch er hatte schon die Tür hinter sich geschlossen.
6. KAPITEL
Sarah lag im Bett und betrachtete starr die Tür. Natürlich hatte er nur einen Scherz gemacht, um sie um ihren Schlaf zu bringen. Ein Mann musste eine Frau attraktiv finden, um mit ihr zu schlafen, und Alex fand sie nicht attraktiv. In seinem Leben gab es genug willige und zweifellos schönere Frauen. Was für ein makabrer Sinn für Humor! Schließlich war sie nicht seine Frau – nicht richtig.
Callie … Der Gedanke an ihre Schwester beunruhigte und verwirrte sie zutiefst. Sarah erkannte sich selbst nicht wieder, so unsicher und von Schuldgefühlen geplagt, wie sie war. Sie war immer ihren Weg gegangen, hatte an ihre Menschenkenntnis geglaubt – bis jetzt.
Bis jetzt war sie überzeugt gewesen, dass Callie verletzt und brutal benutzt worden war. Doch seitdem Alex ihr die Fotos präsentiert hatte, war sie sich nicht mehr sicher. Callie hatte ihr die Wahrheit über ihre Beziehung zu Damon verschwiegen, hatte sich wissentlich in eine Affäre mit einem verheirateten Mann gestürzt und war zu ihm gezogen, als seine Frau abgereist war. Offensichtlich hatte Damon ihrer Schwester versprochen, sie zu heiraten, dann aber einen Rückzieher gemacht, als seine Gefühle abflauten. Hatte Callie zu dem Zeitpunkt beschlossen, schwanger zu werden?
Sarah versuchte, ihre Schwester ohne rosarote Brille zu sehen. Callie war schon immer sehr willensstark gewesen. Ihre Schönheit war für sie ein Instrument, Macht über Männer zu gewinnen. Sie war es, die Männer abwies, nicht umgekehrt. Und sie hatte Damon wirklich geliebt. Er sie auch? Und machte das jetzt noch etwas aus? Sarah beschloss, Callies Briefe ungelesen zu vernichten. Sie wusste ohnehin genug.
Plötzlich schämte sie sich ihres eigenen Verhaltens. Im Nachhinein verstand sie Alex’ Grausamkeit, als sie ihn mit Callie in seinem Büro aufgesucht hatte. Er musste annehmen, dass sie, Sarah, von Damons Ehefrau und Kindern wusste, und ihren Besuch als unverschämt empfunden haben. Deshalb glaubte er auch nicht, dass Damon Callie einen Verlobungsring geschenkt hatte.
An diesem Tag hatte Sarah begonnen, Alex zu hassen, weil sie glaubte, dass nur er zwischen ihrer Schwester und Damon stand. Und er hatte natürlich angenommen, sie helfe Callie, Damon einzufangen. Es war alles ein Missverständnis gewesen, und jetzt wusste Sarah auch, warum er immer wieder ihre Moral infrage
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