Das Beste aus meinem Leben
bist oder dick,
ob du schwarz bist oder weiß,
ob sportlich oder schick –
es ist ganz egal, was du hast, wer du bist:
Hauptsache, du weißt, dass du einzigartig bist.«
Es gab an diesem Abend wie an jedem Abend noch eine Diskussion über das Zähneputzen und das Lichtausmachen. Aber das ist wirklich nicht der Rede wert.
Wenn man im »Roten Ochsen« isst
M anchmal verändert sich das Leben eines Menschen durch einen winzigen Zufall von einem Tag zum anderen. So ist es mit mir geschehen. Gestern. Auf dem Weg ins Büro kam ich am Restaurant »Roter Ochse« vorbei, das auf Kreidetafeln sein Speisenangebot bekanntgab. Und ich las: »Gulasch mit Pürre, 6 Euro.« Pürre.
Ich mag seltsam veränderte Wörter auf Speisekarten. Ich liebe es, wenn ich eine »Gefühlte Kalbsbrust« entdecke oder »Seeobst« statt »Meeresfrüchte« oder, wie einmal im Restaurant Giggi nahe der Piazza di Spagna in Rom, »Cannelon gefullte teigrolleni«. Nun: Pürre.
Ich stellte mir vor, was »Pürre« sein könnte, wenn es nicht einfach das falsch geschriebene Wort »Püree« wäre: eine Stadt in der Türkei? Ein Fachausdruck für eine Art Rüttelsieb, das man bei der Gewinnung von Eisenerz benutzt, um Sand und Erde vom Erz zu schütteln? Ein Ausdruck der Jägersprache für das weibliche Tier einer Wildgeflügel-Art?
Im Büro angekommen, hatte ich wenig Lust zu arbeiten, stattdessen den merkwürdigen Einfall, Pürre als Suchwort im Internet einzugeben. Natürlich kamen lauter Rezepte für Kartoffelpürre, Tomatenpürre, Apfelpürre. Aber es erschien auch die Spielstatistik einer Basketball-Begegnung zwischen den Mannschaften »Wagner« und »Colgate University« am 17. Dezember vergangenen Jahres in Hamilton, New York, und zwar weil eine Schiedsrichterin Michelle St. Puerre hieß. Auch sah ich eine japanische Seite, in der zwischen unverständlichen Zeichen der Name »Puerre Belon« stand – wahrscheinlich war Pierre Belon gemeint, den kannte ich aber nicht. Ich gab »Pierre Belon« als Suchbegriff ein und lernte, dass Belon ein französischer Naturforscher im 16. Jahrhundert war, der Aristoteles’ Theorie, wonach die Vögel eine Art Winterschlaf hielten, verwarf und erste Beweise für den Vogelzug fand.
Außerdem entdeckte ich eine Website namens »seattlefools.org«, anscheinend so eine Art von Veranstaltungskalender für Seattle. Jedenfalls wurde ein Frühlingsfest mit den Worten angekündigt, der Winterkönig habe lange genug unseren Himmel verdunkelt, »and now the Puerre Aeternus comes to usher in lighter days«.
… und nun wird uns der Puerre Aeternus in hellere Tage führen? Was zum Teufel ist der Puerre Aeternus?, dachte ich. Eine amerikanische Sagenfigur, die ich nicht kenne? Ich gab das Suchwort Puerre Aeternus ein, aber da kamen nur die Seattlefools wieder. Ich tippte: Aeternus . Es erschien die Website einer norwegischen Heavy-Metal-Band gleichen Namens. Es klingt lateinisch, dachte ich. Aeternus heißt ewig, aber Puerre gibt es nicht. Vielleicht ist es ein Fehler, dachte ich, und es muss nicht Puerre heißen, sondern Puer , der Knabe. Puer Aeternus, der ewige Knabe. Eine Art Frühlingssymbol vielleicht.
Ich hatte die Arbeit, die im Büro zu tun war, total vergessen und war nur mit Pürre, Puerre, Puer beschäftigt. Nächster Suchbegriff: Puer Aeternus . Volltreffer!!! 493 Erwähnungen. Polnische Texte zum Beispiel: »…u którego odkrywna obraz puer aeternus, czyli Wiecznego…«
Ich sah, dass es am 8. August 1999 in der Baseler Stiftung für Christlich-Jüdische Projekte einen Vortrag von Nico Rubeli-Guthauser gegeben hatte. Er trug den Titel: »Puer Aeternus. Das ›ewige Kind‹ als Messianische Metapher jüdischer und christlicher Glaubenswelten. Die Verwandlung eines Ideals altorientalischer Herrschaft in apokalyptische Krisentheorien sozialer Not.« Wuff! Ich fand sogar den Text des Vortrags. Aber ich verstand ihn nicht.
Ich rief Seite für Seite unter meinem Stichwort auf, las las und lernte, dass mit »puer aeternus«, dem ewigen Jungen, eine Art Peter Pan gemeint ist, der in seiner Kinderwelt lebt und nicht in die Sphäre der Erwachsenen finden will. Ein unreifer Typ Mann, oft charmant, anregend, flatterhaft liebend, genießerisch, dem Schmerz ausweichend, Verpflichtungen und Bindungen scheuend. C.G. Jung habe den Begriff verwendet, las ich. Es war wunderbar. Ich las über Jung und Freud, und dass sie beide den Anarchisten und Psychoanalytiker Otto Gross als »puer aeternus« beschimpft hatten, Gross,
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