Das Beste aus meinem Leben
hören.
»Ich muss gehen«, sagte der kleine Dicke plötzlich hastig. »Machen Sie’s gut!«
»Aber…« sagte ich, da war er schon rausgehuscht. Aus der Tür am Ladenende trat ein hoch aufgeschossener Mann mit randloser Brille und weißer Schürze. Er schnupperte und sagte: »Bitte, rauchen Sie hier nicht!«
»Ich habe nicht geraucht«, sagte ich. »Da war ein kleiner Dicker – ich dachte…«
Er seufzte auf, ging zur Ladentür, schaute hinaus, kam wieder zurück.
»Mein Bruder…«, sagte er. »Er soll hier eigentlich nicht… Ich habe es ihm verboten, er…«
Der Mann hielt mitten im Satz inne, zwinkerte und machte ein Bewegung, als führte er ein Glas zum Mund. »Er schreibt mir die Prospekte, verfasst auch Bücher über Wein und arbeitet für Weinjournale, wissen Sie«, sagte er hinzu. »Das kann er gut.«
»Ich glaub’s«, sagte ich.
»Sie suchen Wein?«, sagte er. »Wählen wir zusammen einen aus?«
»Oh, bitte, nein«, sagte ich, nahm eine Flasche von dem Chilenen, zahlte und eilte von dannen.
Das Beratungstaxi
D ie beste Taxi-Anekdote, die ich kenne, hat mir Bruno erzählt, mein alter Freund.
Bruno war auf einem Fest, das sich bis in die Morgenstunden hinzog, und auf dem sich einige Anwesende so betranken, dass sie von anderen die Treppe hinunter getragen werden mussten, als sie sich auf den Heimweg machten. So musste zum Beispiel Bruno einen Kollegen, den wir hier Herrn B. nennen wollen, auf seinem Weg ins Erdgeschoss halb stützen, halb schleppen und in ein Taxi schieben. Als das getan war, ging Bruno wieder nach oben. Nach fünf Minuten klingelte der Taxifahrer. »Können Sie mir nicht sagen, wohin ich den Herrn da unten bringen soll?«, fragte er.
»Warum fragen Sie ihn nicht?«, fragte Bruno zurück.
»Das tue ich ja«, sagte der Taxifahrer. »Aber immer wenn ich ihn frage, wo er wohne, schreit er nur: ›Das geht Sie gar nichts an!‹«
Ehrlich gesagt, ist das auch schon die einzige Taxi-Anekdote, die ich kenne. Alle anderen Taxi-Geschichten stammen aus Filmen, Night on Earth zum Beispiel von Jim Jarmusch, in dem Roberto Benigni einen Priester morgens um vier durch Rom fährt und ihm in halsbrecherischer Fahrt seine sämtlichen sexuellen Obsessionen beichtet – es geht darin unter anderem um Kürbisse und um die Frau seines Bruders. Am Ende stirbt der Geistliche an einem Herzanfall, und der schockierte Benigni deponiert ihn am Straßenrand. Das ist natürlich wunderbar.
Aber sonst? Freund A. erzählt, um Taxi-Geschichten gebeten, von einem Fahrer, der so rassistisches Zeug herauskotzte, dass A. an einer Ampel die Tür öffnete und einfach wegging. Freund B. berichtet von einem anderen Fahrer, der kein Wort Deutsch sprach, sich nicht in der Stadt auskannte und ständig haarscharf am Rande eines gefährlichen Unfalls chauffierte – so dass B., der nur von einem Viertel in ein anderes gewollt hatte, schließlich irgendwo in der Wüstenei des Stadtrandes zwischen einer Kläranlage und einer Autobahnauffahrt ausstieg und sich über das Handy einen anderen Wagen rief.
Das war’s. Eigentlich müssten Taxis mehr hergeben. Man erlebt im Taxi irgendwie zu wenig. Überhaupt ist es seltsam, dass sich das Taxi-Gewerbe wenig Gedanken über einen Zweitnutzen des Taxifahrens macht. Ich meine: In der Bahn kann man während der Fahrt essen, trinken und sogar Videos sehen. Was kann man im Taxi? Von A nach B fahren. Mit dem Fahrer reden. Hmmm… Mit dem Fahrer reden?
Bruno sagt, er habe kürzlich mit seiner Frau im Taxi gesessen. Sie hätten ein Erziehungsproblem, ihre Tochter betreffend, diskutiert, hätten sich keinen Rat gewusst – da drehte sich plötzlich der Fahrer um und gab ihnen einen »astreinen« (Bruno) pädagogischen Tip. Warum? Der Mann war Kindergärtner von Beruf und verdiente sich als Taxifahrer was dazu.
Hier liegt die Zukunft des Taxiwesens. Mein Vorschlag: das Beratungstaxi. Mit jeder Fahrt wird man nicht nur transportiert, sondern nutzt die Zeit für eine Beratung durch arbeitslose Pädagogen, Psychologen, Bankangestellte… Man hätte grüne Erziehungsberatungstaxis, gelbe Beziehungsberatungsdroschken, blaue Anlageberatungswagen, schwarze Sinn-des-Lebens-Autos mit geschulten Philosophen am Volant, rote Taxis für Sportfachgespräche, weiße Schweigelimousinen, braune Wut- und Schrei-Fahrzeuge mit schalldichter Passagierkabine. Beispiele? Ich fahre mit Paola abends zu einer Party, und wir streiten uns schon in der Wohnung darüber, dass sie nicht pünktlich fertig ist?
Weitere Kostenlose Bücher