Das beste Mittel gegen Kopfschmerzen
es dir ausgesprochen guttun,
dich wie eine Frau Mitte zwanzig zu kleiden und
nicht wie die Leiterin einer Besserungsanstalt.«
»So schlimm ist es nun auch wieder nicht!«
»Wie die mittelalte Leiterin einer Besserungsanstalt.
«
Lise atmete tief durch und schüttelte dann den
Kopf. »Ich kann darüber im Augenblick nicht
nachdenken. Ich muss unseren Terminplan für
morgen aufstellen. Hier sind die Skripts für die
TV-Spots. Kannst du noch dafür sorgen, dass genügend
Kopien davon vorhanden sind, bevor du
gehst?«
»Sicher.«
»Danke.« Sie seufzte. »Er mag ein großartiger Surfer
sein, aber ich hoffe inständig, dass er auch
schauspielern kann.«
»Was dir im Übrigen ebenfalls nicht schaden könnte«, entgegnete Sonia und nahm das Skript
an sich. »Wie wäre es, wenn du mal eine ganz neue
Rolle in deinen Spielplan aufnimmst: zum Beispiel
die der jungen Frau in der Blüte ihrer Jahre?«
D rei Dinge braucht ein Mann down under«,
sagte Steve in die Kamera. »Eine heiße Frau,
ein eiskaltes Bier und ein Crane-Board, mit dem
er über die Wellen fl iegen kann. Und ein richtiger
Mann will das alles auf einmal.«
»Okay. Und nun zwinkern Sie in die Kamera«,
sagte Lise so locker und unbekümmert, wie es ihr
möglich war.
Doch eigentlich war ihr eher danach, ihren Kopf
auf den großen Tisch im Konferenzraum zu legen
und einfach loszuheulen. Direkt nach diesem
Übungsdurchlauf würde sie ihren Lebenslauf und
ein paar gute Bewerbungen verschicken müssen
denn wenn sie diese Probe einmal ganz nüchtern
betrachtete, war ihre Karriere so gut wie vorbei.
Es folgte eine so bedeutungsschwere Pause, dass
sie spürte, wie ihre Schultern unter dem Gewicht
nachgaben.
»Sie wollen, dass ich in die Kamera zwinkere?«
»Ja«, presste sie zwischen zusammengebissenen
Zähnen hervor. »So steht es im Skript.« Zu Beginn
der Probe war Steve Jackson ziemlich gelassen gewesen,
doch statt sich zu verbessern, war seine Performance
immer hölzerner geworden. In den letzten
vier Takes vor ihrer fi rmeneigenen Videokamera
hatte er nicht ein einziges Mal gezwinkert.
Er funkelte sie an offensichtlich versuchte er, ihr
eine Botschaft zu übermitteln, die sie jedoch nicht
verstand.
Sie erwiderte seinen Blick und fragte sich, warum
sie nicht Medizin studiert hatte, wie ihre Eltern
es sich gewünscht hatten. Sicherlich war es nicht
schwieriger, mit Blut, Lymphe und gebrochenen
Knochen umzugehen, als mit launischen Models,
die nicht für fünf Cent schauspielern konnten.
Tja, diesen Testversuch hatte er so gründlich vermasselt,
dass man den heutigen Tag wirklich nicht
als Erfolg verbuchen konnte, und Lise fehlten sowohl
die Kraft als auch die Nerven, alles noch einmal
von vorn zu probieren. Etwas steif erhob sie
sich.
»Warum machen wir nicht eine Pause?« Sie lächelte
der Kameracrew zu, dem Skriptschreiber, Sonia
und sogar Steve. »Steve, wir sollten es noch einmal
zu zweit proben, bevor wir es endgültig aufnehmen.
«
Er antwortete nicht einmal, sondern nickte nur
kurz. Diese knappe Geste empfand sie als unhöflich
und selbstherrlich.
Der Mann ist bares Gold wert, ermahnte Lise sich
selbst, während sie das Gefühl hatte, ihr Magen
würde in Flammen stehen. Jen vergötterte ihn. Jen glaubte an ihn. Und nun war es ihr Job, ihn so zu
motivieren, dass er diesen hochgesteckten Erwartungen
auch gerecht wurde.
Als alle außer Steve und ihr gegangen waren,
schloss sie die Tür.
Sie fasste sich an den Nacken und massierte ihn.
Vor Schmerz hätte sie beinahe aufgeschrien.
»Okay«, sagte sie. »Lassen Sie es uns noch einmal
versuchen.«
»Was ist mit Ihrem Nacken?«, fragte er mit einer
Stimme, die den Boden unter ihren Füßen in
Schwingungen zu versetzen und ihren ganzen Körper
zu erfassen schien. Warum, zur Hölle, konnte er nicht mit diesem wundervollen Timbre sprechen,
wenn die Kamera lief?
»Ich bin ein wenig verspannt«, sagte sie mit einem
angestrengten Lächeln. Tatsächlich fühlte sie sich
so verkrampft, dass sie bezweifelte, jemals wieder
den Kopf drehen zu können.
»Ich bin auch ein bisschen verspannt«, gestand
er.
Gut. Das war nicht schlecht. Ein Anfang. Er gab
zu, dass er nicht gerade gute Arbeit leistete. Sehr
schön. Ihn anzuschreien wäre in dieser Situation
vermutlich kontraproduktiv. Das alles wusste sie
noch aus ihrem Kommunikationskurs, den sie in Berkeley belegt hatte. Sie hatte beim Lernen all
dieser theoretischen Ideen über Kommunikation
nur eines noch nicht erlebt: Dass sie einerseits
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