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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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Überzeugung nährte, daß Stephan viel essen müsse, wenn es darum ging, wer den vorletzten Bratapfel nahm.
    Daß Stephan schon damals so selten lächelte wie heute, war meiner Tante angesichts seines Schicksals zur Gewißheit geworden, und sie hielt es für ganz ausgeschlossen, daß es der Wahrheit entsprechen könne, wenn mein Vater behauptete, Stephan |43| Korn sei zu seiner Zeit »ein lustiger Vogel« gewesen. Einen Hauch von Wirklichkeitsfremdheit bekamen solche Äußerungen schon dadurch, daß mein Vater und Stephan Korn gleichaltrig waren, mein Vater aber erheblich älter als sein Freund wirkte, denn wenngleich Stephan die meisten seiner Haare verloren hatte, so waren die verbliebenen doch wenigstens noch dunkel, während mein Vater schon längst im Silberschein seines weiß gewordenen Haares lebte.
    Stephans Zeit schien meiner Tante erheblich weniger abgelaufen als die meines Vaters, zumal Stephan noch allein war und sich auch in New York, der Stadt, in der er die Zeit nach den Jahren in Frankreich bei seiner Mutter zubrachte, noch nicht an eine Frau gebunden hatte.
    Nun war es gewiß klug von ihm, sich keine New Yorkerin auszusuchen, denn selbst wenn seine Mutter aus New York stammte, konnte man Amerika bei aller Weltläufigkeit der Korns doch nicht als ihre Heimat ansehen. New York war der Rückhalt ihrer Existenz, ein sicherer Hort für Vermögenswerte und dann auch für das höchste Gut der alten Korns, nämlich ihr Leben. Aber die Heimat lag für Vater und Sohn trotzdem in Europa, und zwar in Frankfurt, wo auch ich geboren bin und wohin Stephan damals zu uns kam.
    Nach den Vermutungen meiner Tante mußten mögliche Verbindungen zu Frauen aus den Tagen, in denen Stephan noch in seiner Vaterstadt wohnte, längst abgebrochen sein. Immerhin war der Aufbruch damals ein tiefer Einschnitt im Leben der Korns gewesen. Sie hatten ihn deshalb so lange wie möglich hinausgezögert, obwohl sie ihn seit langer Zeit für unausweichlich gehalten hatten. Denn als sie schließlich Deutschland verließen, geschah das nur scheinbar in letzter Minute. Der Vater Korn hatte längst für amerikanische Pässe gesorgt.
    Stephan in Frankreich – das war dann doch ein anderes Kapitel, denn bei dem Raffinement der französischen Frauen war es eigentlich ausgeschlossen, daß Stephan, der geheime Kurier, ohne Abenteuer geblieben sein sollte.
    Meine Tante kannte aus den Lichtbildervorträgen des Französischen |44| Instituts die Schlösser der Loire und Burgunds: diese festgefügten weißen Kästen mit den genießerischen runden Donjons rechts und links und den Hauben aus blauem Schiefer. Auch sie standen auf Waldwiesen, von bunten Herbstbäumen umgeben und manchmal nur durch kleine Landstraßen erreichbar, die unsichtbar hinter einer verfilzten Reihe alter Brombeerbüsche lagen. Sie sah Stephan, der seinen beschädigten Doppeldecker verlassen hatte, um in einem solchen Schloß ein Werkzeug zu erbitten, irgendeinen Hammer oder einen strahlend vernickelten Engländer, um damit an dem bei der Landung auf der Waldwiese verbogenen Propeller herumklopfen zu können.
    Im Krieg war ja kaum Personal in diesen Häusern, nur eine mürrische und mißtrauische alte Köchin und natürlich die Hausfrau, gerade aus der Badewanne gestiegen und in einem einfachen, ländlichen Leinenkleid, die gleich mit Feuer dabei war, Stephan zu helfen, und auch nicht davor zurückschreckte, ihre sanft gepolsterten und gepflegten Hände schmutzig zu machen, als sie alle zusammen den Doppeldecker in einer Scheune versteckten, weil man auf einen Mechaniker der Résistance warten mußte. Stephan konnte seit langem wieder einmal bequem in einem Bett schlafen, im Gästezimmer natürlich. Und doch, der Blick, mit dem die junge Hausfrau am anderen Morgen von der rosenüberwucherten Terrasse den blauen Himmel nach dem schnell kleiner werdenden Doppeldecker absuchte, er war eigentümlich verschleiert, und meine Tante ahnte, daß in dem nächtlichen Zeitraum, den sie sich nicht vorstellen wollte, Dinge vorgefallen sein mochten, die einen Grund für die verschleierten Augen der Schloßherrin enthielten. So irritierend solche Vorstellungen indes auf sie wirkten, so sehr bemühte sie sich, Stephan gerecht zu werden. Im Leben eines abenteuergewohnten Mannes gab es eben Erlebnisse, die sie vielleicht nur ungern mit ihrer in diesen Dingen sehr genauen Mutter besprochen hätte.
    Ich weiß übrigens nicht, welche Wirkung es auf meine Tante hatte, daß Stephan frankfurterisch sprach,

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