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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mir? fragte sie sich, drückte den winzigen
Korken wieder auf das Fläschchen und verstaute es in der
unpraktischen Uhrentasche. Was ist mit mir? Werde ich später
einen oder zwei Tropfen brauchen, damit ich nicht den Verstand
verliere?
Sie hielt es für unwahrscheinlich. Und außerdem …
»Wer nicht aus der Vergangenheit lernt, ist dazu verdammt, den Mist zu wiederholen«, murmelte sie. Sie wußte
nicht, wer das gesagt hatte, wußte aber, es war zu plausibel, um es außer acht zu lassen. Sie lief zum Telefon zurück
und hielt die präparierte Pepsi in einer Hand. Sie wählte
wieder 911 und bekam denselben Telefonisten mit derselben Eröffnung: Achtung, Lady, das Gespräch wird aufgezeichnet.
»Ich bin es wieder, Rosie McClendon«, sagte sie. »Wir sind
unterbrochen worden.« Sie machte eine wohlkalkulierte
Pause und lachte nervös. »Herrje, das stimmt nicht ganz. Ich
hab in meiner Aufregung das Telefonkabel aus dem Stecker
gerissen. Hier geht alles drunter und drüber.«
»Ja, Ma’am. Ein Notarztwagen wurde auf Bitte von
Ms. McClendon nach 897 Trenton Street geschickt. Wir haben
von derselben Adresse einen Bericht, wonach Schüsse gefallen sind, Ma’am; handelt es sich bei dem gemeldeten Notfall
um eine Schußverletzung?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Soll ich Sie mit einem Polizeibeamten verbinden?«
»Ich möchte mit Lieutenant Haie sprechen. Er ist Detective, daher denke ich, ich möchte mit der DET-DIV verbunden werden, oder wie immer Sie es hier nennen.«
Nach einer Pause fuhr der 9ii-Telefonist fort, und jetzt
hörte er sich nicht mehr ganz so sehr wie eine Maschine an.
»Ja, Ma’am, Detective Division, so nennen wir es - DET-DIV.
Ich verbinde.«
»Danke. Wollen Sie meine Telefonnummer, oder verfolgen
Sie die Anrufe zurück?«
Diesmal war er ohne Frage überrascht. »Ich habe Ihre
Nummer, Ma’am.«
»Das dachte ich mir.«
»Bleiben Sie dran, ich stelle Sie durch.«
Während sie wartete, hob sie die Flasche Pepsi hoch und
schwenkte sie unter der Nase, wie sie es mit dem viel kleineren Fläschchen gemacht hatte. Sie glaubte, daß sie den
unmerklichsten Hauch von Bitterkeit riechen konnte … aber
das bildete sie sich möglicherweise nur ein. Nicht, daß es
eine Rolle gespielt hätte. Entweder er trank es, oder nicht. Ka, dachte sie, und dann: Was?
Bevor sie den Gedanken weiter verfolgen konnte, wurde
der Hörer wieder abgehoben. »Detective Division, Sergeant
Williams.«
Sie nannte ihm Haies Namen und wurde gebeten, zu warten. Draußen, vor ihrem Zimmer, dauerten das Murmeln
und die stöhnenden Antworten an. Die Sirenen waren schon
viel näher.
4
    »Hallo, Haie!« bellte ihr plötzlich eine Stimme ins Ohr. Sie
hörte sich ganz und gar nicht nach dem entspannten,
umsichtigen Mann an, den sie kennengelernt hatte. »Sind Sie
es, Ms. McClendon?«
    »Ja — «
»Alles in Ordnung mit Ihnen?« Er bellte immer noch, und
jetzt erinnerte er sie an alle Cops, die je ohne Schuhe in ihrem
Wohnzimmer gesessen und mit ihren Füßen den ganzen
Raum verpestet hatten. Er konnte nicht darauf warten, daß
sie ihm die Informationen, die sie besaß, freiwillig gab; nein,
er war außer sich, und darum mußte er wie ein Terrier um
ihre Füße tanzen und bellen.
    Männer, dachte sie und verdrehte die Augen.
»Ja.« Sie sprach langsam, wie jemand, der auf dem Spielplatz versucht, ein hysterisches Kind zu beruhigen, das vom
Klettergerüst gefallen ist. »Ja, mir geht es gut. Bill - Mr. Steiner - ist auch unverletzt. Es geht uns beiden gut.«
»Geht es um Ihren Mann?« Er hörte sich erzürnt an, nur
einen oder zwei Schritte von regelrechter Panik entfernt. Ein
Stier auf dem offenen Feld, der mit den Hufen scharrte und
nach dem roten Tuch Ausschau hielt, das ihn in Rage versetzt
hatte. »War es Daniels?«
»Ja. Aber jetzt ist er fort.« Sie zögerte, dann fügte sie hinzu:
»Ich weiß nicht, wohin.« Aber ich denke, es ist heiß dort, und die
Klimaanlage ist kaputt.
»Wir finden ihn«, sagte Haie. »Das verspreche ich Ihnen,
Ms. McClendon - wir finden ihn.«
»Viel Glück, Lieutenant«, sagte sie leise und richtete den
Blick auf die offene Schranktür. Sie berührte ihren Oberarm,
wo sie immer noch die abklingende Wärme des Armreifs
spüren konnte. »Ich muß jetzt auflegen. Norman hat einen
Mann von oben angeschossen, vielleicht kann ich etwas für
ihn tun. Kommen Sie her?«
»Worauf Sie sich verlassen können.«
»Dann sehen wir uns, wenn Sie hier sind. Bis dann.« Sie
sah einen Schatten an der Wand, der langsam größer

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