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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und klammerte sich an ihn. Was als tröstliche Umarmung begann, wurde rasch zu etwas anderem. Sie
lag unter ihm, hielt hinter seinem Nacken ihre rechte Hand
um das linke Handgelenk geklammert, und als er in sie eindrang (mit Norman hatte sie nie eine derartige Zärtlichkeit
und ein solches Selbstvertrauen erlebt), fiel ihr Blick auf ihre
Jeans, die auf dem Boden lag. Das Keramikfläschchen befand
sich noch in der Uhrentasche, und sie vermutete, daß noch
mindestens drei Tropfen der bitteren, verlockenden Flüssigkeit darin sein mußten - möglicherweise mehr.
Ich nehme sie, dachte sie, bevor ihre Fähigkeit, zusammenhängend zu denken, endgültig verschwand. Ich nehme sie
selbstverständlich, wer sonst. Ich werde vergessen, und das wird
das Beste sein - wer braucht schon solche Träume?
Aber ein Teil von ihr - viel tiefer in ihrem Inneren als ihre
alte Freundin Ms. Praktisch-Vernünftig - kannte die Antwort
darauf: Sie brauchte solche Träume, und sonst niemand. Nur
sie. Sie würde das Fläschchen samt Inhalt zwar behalten,
aber nicht für sich selbst verwenden. Denn sie, die die Vergangenheit vergißt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.
Sie sah zu Bill auf. Er schaute mit großen, von Lust verschleierten Augen zu ihr herab. Seine Lust, stellte sie fest,
war auch ihre, und sie ließ sich von ihm führen, wohin er sie
brachte, und so blieben sie eine ganze Weile, tapfere Matrosen auf der Reise im winzigen Schiff ihres Betts.
8
    Am späten Vormittag ging Bill Brötchen und die Sonntagszeitung holen. Rosie duschte, zog sich an und setzte sich barfuß auf die Bettkante. Sie konnte ihre unterschiedlichen
Gerüche wahrnehmen, aber auch den, den sie gemeinsam
erzeugt hatten. Sie dachte, daß sie noch nie etwas Angenehmeres gerochen hatte.
    Und das Allerbeste? Ganz einfach. Kein Tropfen Blut auf
dem Laken. Nirgendwo Blut.
Ihre Jeans war unter das Bett gewandert. Sie zog sie mit
den Zehen hervor und nahm das kleine Fläschchen aus der
Uhrentasche. Sie trug die Jeans ins Bad, wo sie einen Wäschekorb aus Plastik hinter der Tür stehen hatte. Die Flasche
würde sie im Arzneischränkchen verstauen, jedenfalls vorerst, wo sie sie problemlos hinter der Flasche Motrin verstecken konnte. Bevor sie die Jeans in die Wäsche warf,
durchsuchte sie die anderen Taschen, ein Hausfrauenbrauch,
der ihr so in Fleisch und Blut übergegangen war, daß sie es
nicht einmal bemerkte … bis ihre Finger auf etwas tief in der
häufiger benützten linken Tasche stießen. Sie holte den
Gegenstand heraus, hielt ihn hoch und erschauerte, als sie
die Stimme von Rose Madder in ihrem Kopf sprechen hörte: Ein Souvenir …Du kannst ganz nach Gutdünken damit verfahren.
Es war Normans Ring von der Polizeiakademie.
Sie streifte ihn über den Daumen, drehte ihn erst in die
eine, dann in die andere Richtung und ließ das Licht aus dem
Bad sich in den Worten Hilfsbereitschaft, Loyalität, Kameradschaft spiegeln. Sie erschauerte wieder und rechnete einen
Moment damit, daß Norman sich um diesen abscheulichen
Talisman herum kristallisierte.
Eine halbe Minute später, als sie Dorcas’ Fläschchen sicher
im Arzneischränkchen verstaut hatte, ging sie hastig zum
Bett zurück, aber diesmal nahm sie den Geruch von Mann
und Frau nicht wahr, der sich dort noch hielt. Sie dachte an
den Nachttisch, und dem galt ihre Aufmerksamkeit. Sie
würde den Ring vorerst in die Schublade legen. Später
konnte sie sich überlegen, was sie damit anfangen sollte; im
Augenblick wollte sie ihn nur nicht mehr im Blickfeld haben.
Es wäre nicht sicher, ihn offen herumliegen zu lassen, soviel
stand fest, und man mußte sich nicht in die Welt des Übernatürlichen begeben, um den Grund dafür zu kennen. Lieutenant Haie würde später wahrscheinlich vorbei schauen,
mit einigen neuen Fragen und jeder Menge alten bewaffnet,
und es wäre nicht gut, wenn er Normans Ring hier finden
würde. Das wäre ganz und gar nicht gut.
Sie machte die Schublade auf, um den Ring hineinzule gen … und dann erstarrte ihre Hand.
Es lag schon etwas in der Schublade. Ein Fetzen blauen
Stoffs, sorgsam zu einem Bündel zusammengelegt. Purpurfarbene Flecken waren darauf; sie sahen wie halbgetrocknete
Blutstropfen aus.
»O Gott«, flüsterte Rosie. »Die Kerne!«
Sie nahm das Bündel heraus, das einmal zu einem billigen
Baumwollnachthemd gehört hatte, setzte sich auf das Bett
(plötzlich schienen ihre Knie zu schwach zu sein, sie zu tragen) und legte sich das Bündel auf den Schoß. In Gedanken
hörte sie, wie

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