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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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es geht nicht. Ich setze mich an den Tisch. Das Gedichteschreiben ist mir vergangen. Mir ist übel und kalt, obwohl ich zwei Pullover übereinander trage. Ich rufe Beate an, sie sagt, unter den Rippen ist die Lunge, und wenn die wirklich verletzt wäre, würde ich das merken. Es sticht doch nicht beim Atmen, oder? Nein, es sticht nicht beim Atmen.
    Beim Essen berichtet mir Gunther, wie viele Rippen er sich schon gebrochen hat, und wen er noch kennt, der sich Rippen gebrochen hat, und wie sich diese Leute dabei gefühlt haben. Er gibt mir Ratschläge, wie die Heilung vorangetrieben werden kann. Er erzählt mir, wie ich mich fühle und wie mir der Unfall passiert ist, bis mir vor lauter Lachen der Schmerz Tränen in die Augen treibt.
    Gegen zehn schaffe ich es doch ins Bett. Ich liege auf der Seite. Sticht es nicht doch beim Atmen? Sticht es? Else, sticht es?
    »Es sticht sicher nicht. Mach dir keine Sorgen.«
    Innere Verletzungen, innere Verletzungen. Die merkt man doch selbst oft nicht, oder? Das hört man immer wieder nach Autounfällen. Die Lunge hat nichts, aber vielleicht bin ich auf den Bauch gefallen und habe nur nichts davon bemerkt, weil die Rippe schmerzhafter war? Womöglich verblute ich gerade innerlich? Und merke es nicht?
    »Glaubst du, ich habe innere Verletzungen und bemerke sie nicht?«
    »Ja, einen Hirnschaden.«
    »Im Ernst! Was glaubst du?«
    »Ich glaube, du solltest weniger mit Daniel telefonieren.«
    Samstag. Schreckliche Nacht. Die besoffenen Nachbarn haben bis drei Uhr morgens Rülpswettbewerbe veranstaltet und rumgebrüllt. Die einzige Horrorfamilie weit und breit – natürlich kommt die in mein Hotel, und natürlich kriegt die das Zimmer neben meinem. Welches sonst?
    Else packt die Koffer. Ich nehme einen und ziehe ihn hinter mir her. Auf der Treppe wird es schwierig. Ich stöhne. Hinter mir höre ich jemanden sagen:
    »Was ist denn mit dir los?«
    Es ist der böse Raucher vom Abendessen. Ich erzähle ihm von meinem Unfall.
    »Aber dann wirst du doch nicht den Koffer schleppen, gib her – ja gib her, ist doch kein Aufwand!«
    Und er trägt mir den Koffer bis zum Auto, verabschiedet sich freundlich, wünscht mir alles Gute, ich sehe ihm nach und schäme mich. Es regnet.
    Auf der Heimfahrt denke ich an meine Rippen, an meinen Roman, 8000 Stück, vor allem aber an die Post, die zu Hause auf mich wartet. Ich liebe es, nach längerer Zeit nach Hause zu kommen, denn es hat sich viel Post angesammelt, und da könnte irgend etwas Schönes dabeisein. Irgend etwas, eine Einladung, vielleicht sogar ein Literaturpreis. Und wenn es ein Brief von Karin Graf ist, in dem mir Geld vom Verlag avisiert wird, auch nicht schlecht. Ich freue mich auf Post.
    Eine Woche Post, denke ich, noch hundert Kilometer, noch achtzig, noch fünfzig. Eine Woche Post.
    Zu Hause. Ein Riesenstapel Post. Ich sortiere aus. Eine Zeitschrift, eine Rechnung, die Korrekturfahnen meines Romans, noch eine Rechnung, eine Broschüre, Werbung, eine Postkarte von Herbert Rosendorfer, wieder eine Rechnung, ein Flugblatt, auf dem für eine Autowaschanlage geworben wird, noch eines, das eine Pizzeria bewirbt, noch eine Rechnung.
    Die Korrekturfahnen. Immerhin weiß ich jetzt, wieviel Seiten mein Buch haben wird und wie es innen aussieht. Und eine Postkarte von Herbert Rosendorfer. Das war’s. Eine Woche Post.
    Ich setze mich an den Computer und tippe bei Google in die Suchleiste: Innere Verletzungen.
    Das hätte ich jetzt nicht tun sollen.

Fünfzehn
    Gegen Mitternacht kriecht Stanislaus zu uns ins Bett. Damit wenigstens einer schlafen kann, übersiedelt Else ins Gästezimmer. Es ist die dreizehnte Nacht hintereinander, in der das so geht. Ich pfropfe mir Ohropax in die Ohren, und es gelingt mir trotz des fünfzehn Kilo schweren, jammernden und zuckenden Wesens auf mir, wieder einzudösen. Alle paar Minuten bekomme ich Tritte und Püffe, die mich nie richtig tief schlafen lassen, das wäre selbst ohne lädierte Rippen schwierig.
    Um sechs ist es vorbei, ich bin zwar müde, aber ich weiß, ich werde nicht mehr einschlafen. Stanislaus schnarcht. Ab und zu hebt er den Kopf und öffnet die Augen. Meist sieht er mich leer an und kippt zurück ins Kissen. Einmal lächelt er, murmelt »Papa lieb!« und küßt mich, um gleich wieder weiterzuschlafen.
    Um halb neun steht er auf. Nun kümmert sich Else um ihn, und ich darf mich noch einmal hinlegen. Als ich gegen Mittag aufwache, ist mein Kopf dumpf und leer, ich vertrage diesen Schlafrhythmus sehr

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