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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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gegenseitig schminken und dabei torkeln. Der Lärm wird ab und zu von schaurigen spitzen Schreien übertönt, die eine Frau auszustoßen scheint.
    Ich sage Erwin hallo, bestelle ein Bier und sehe mir die Bilder an.
    Erwin Michenthalers Bilder zu beschreiben fällt mir schwer, ich schreibe ja schon über Literatur nicht gut, wie erst über Malerei. Ich will es so ausdrücken: Seine Bilder sind ausdrucksvoll, klar und kräftig. Er ist ein echter Maler, versteckt sich nicht hinter Abstraktionen. Selten malt er Bilder, mit denen ich weniger anfangen kann, blasse, tastende Werke, und ich weiß nie, ob das so gehört, oder ob er mit Zweifel gemalt hat. Ich habe ein paar zu Hause hängen, aber ich fürchte, in diesem Leben und in dieser Welt werden sie nicht mehr viel an Geldwert gewinnen. Was meines Erachtens nicht so sehr an Erwin liegt.
    »Kannst du ein Karl-May-Quiz machen?« flüstert er mir zu.
    »Jetzt?«
    »Ja.«
    »Okay, sorg dafür, daß jeder Papier und etwas zu schreiben hat.«
    Ich nehme mir einige Minuten Zeit, um mir zehn Fragen auszudenken. Ab und zu kommt einer von Erwins seltsamen Freunden zu mir, die mich für einen berühmten Schriftsteller halten. Der schöne Oskar, auch ein Maler, der so gern ein Star wäre, um mit anderen Prominenten Champagner zu trinken, hält sich besonders ran. Er hat mich schon auf seiner Homepage verewigt, weil ich mal seine Galerie besucht habe, als Erwin dort zusammen mit ihm ausstellte.
    Diese Besuche reißen mich aus der Konzentration, außerdem ertönen immer wieder diese unerklärlichen spitzen Schreie. Trotzdem habe ich schließlich die zehn Fragen beisammen. Erwin stellt mich den ausnahmslos Betrunkenen im Raum vor, es folgt Applaus, ich erhebe die Stimme, um zu grüßen und die Fragen vorzulesen. Sie lauten:
Wie heißt Old Shatterhands Pferd?
Unter welchem Namen kennt man Fred Cutter?
Wie heißt der berühmte Kiowa-Häuptling, den Old Shatterhand zum Krüppel schießt?
Old Surehand und Apanatschka sind a) Cousins b) Brüder c) Gespenster d) Nachbarn
Wie heißt Dick Hammerdulls bester Freund?
Wie heißt der Vater Winnetous?
Der Transvestit heißt Tante… a) Stark b) Kess c) Droll d) Grob
Winnetous Lehrer Klekih-Petra wird getötet von a) Rattler b) Pinscher c) Spitz d) Pudel
Wie nennt Winnetou seinen Bruder Old Shatterhand?
Was trägt Winnetou in Dresden auf dem Kopf?
    Gelächter, Gläserklirren, alle reden durcheinander und versuchen voneinander abzuschreiben. Die Musik ist aus, die spitzen Schreie ertönen noch immer, es ist ein furchtbares Falsettgeheul. Eine ältere, etwas füllige Frau kommt zu mir und stellt sich als Kennerin meiner Bücher vor, sie sagt wörtlich Kennerin meiner Bücher. Sie wirkt etwas weniger betrunken als die anderen, ich schätze sie auf sechzig. Sie gratuliert mir zu meinem Carl Haffner , so ein schönes Buch, sagt sie. Gerade will ich antworten, da stellt sich eine junge Frau, deren Gesicht offenkundig vom Alkohol aufgeschwemmt ist, vor mich hin und sagt:
    »Wie gefällt dir meine Stimme? Ich singe Child In Time von Deep Purple!«
    Und dann ertönen die spitzen Schreie direkt vor mir.
    Nach einer Weile lasse ich mir die ausgefüllten Antwortbögen aushändigen. In Windeseile werte ich sie aus, während es rund um mich immer lauter wird. Mal da, mal dort ertönen die Schreie, ab und zu überwindet die Sängerin auch den Anfang, und es folgt die Textzeile »Swiiit Scheild in Deimm, juuu sii da leit – siii da bla-hind men – schuuuuuuuding et da wöald« – und dann hört man wieder: »Aaaaaaah-aaaaaah-aah! Aaaaaaah-aaaaaah-aah!« Dennoch komme ich zu einem Ergebnis. Ich lese die Antworten vor.
Hatatitla
Old Wabble
Tangua
b)
Pitt Holbers
Intschu-Tschuna
c)
a)
Scharlieh
einen Zylinder
    Es gibt einen Gewinner – immerhin hat er sieben Fragen richtig beantwortet –, dem als Preis ein Bild von Erwin überreicht wird. Es ist Harri, der bei der Bestattung arbeitet und Gedichte schreibt. Jetzt erst fällt mir auf, daß keines der Bilder an den Wänden einen Rahmen hat, sie sind einfach an die Wand geklebt worden. Darauf angesprochen, erklärt mir Erwin, er habe kein Geld.
    Ich werde ein wenig belagert. Die ältere Frau weicht nicht von meiner Seite, auch die Sängerin taucht immer wieder auf, dazu gesellen sich noch Hubert, der braungebrannte Gitarrist, der auch mit seinen fünfzig Jahren noch von einem Erfolg als Musiker träumt, und der schöne Oskar. Auf mich wird Frage um Frage abgeschossen, nach Bestsellern, nach Geld, nach »anderen«

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