Das bin doch ich
beweisen, sage ich: »Habe ich dich aufgeweckt?«
»Thomas, bist du betrunken?«
»Nein, ich – «
»Du weißt aber schon, daß du gerade bei mir ein Hotel bestellt hast?«
»Ja sicher!«
»Weiß Else, daß du mit Stanislaus unterwegs bist?«
Ich versuche ihr die Sache mit der Tastatursperre zu erklären, aber so recht überzeugt klingt sie nicht. Wir machen uns auf den Rückweg.
Zu Hause spiele ich mit Stanislaus, dann wird es Zeit, und ich ziehe mich um. An der Tür bittet mich Else, nicht zu spät nach Hause zu kommen. Ich verspreche es. Sie erinnert mich daran, daß Thomas Maurer die Lesung von Jonathan Safran Foer moderieren wird. Ich schaue sie fragend an.
»Na, weil es immer spät wird, wenn du Thomas triffst.«
»Diesmal nicht.«
»Das sagst du jedesmal.«
»Aber diesmal sicher nicht.«
»Das sagst du auch jedesmal.«
Im Rabenhof-Theater setze ich mich in eine der leeren hinteren Reihen. 150 Besucher. Für eine Literaturveranstaltung in Wien sehr viel, vor allem bei 15 Euro Eintritt. Das Weinglas muß ich unter dem Sitz verstecken, da Gläser und Flaschen im Saal nicht erlaubt sind. Ich lege die Beine über die Lehne des Stuhls vor mir. Die Kante schneidet mir in die Waden.
Drei Personen sitzen auf der Bühne: Der Moderator Thomas Maurer, der Schauspieler Nicholas Ofczarek, und der Autor selbst, Jonathan Safran Foer. Maurer stellt dem Autor Fragen. Na bravo, denke ich, ein englischer Abend, und das mit meinen miserablen Sprachkenntnissen. Aber was habe ich erwartet? Deutsch wird der Mann nicht können, und außer mir spricht sowieso jeder unter Vierzig perfekt Englisch. Und so ist es auch, der Autor macht einen Scherz, und alle im Saal lachen laut, denn sie müssen ja zeigen, daß sie den Witz verstanden haben, besonders zu Anfang. Ich habe ihn nicht kapiert.
Foer liest aus seinem Buch vor. Die Leute sind amüsiert und lachen und nicken. Jesusmaria, Lesungen sind ja schon auf Deutsch heikle Veranstaltungen, wo bin ich hier? Ist das ganze Land in der Lage, die Feinheiten des hier vorgetragenen Werks zu erfassen? Waren die alle als Austauschkinder in Ohio? Ich schleiche hinaus und hole mir noch Wein.
Der Autor liest auf Englisch, der Schauspieler liest auf Deutsch, dann darf das Publikum Fragen stellen. Foer antwortet mit freundlicher Gelassenheit. Der Mann ist der weltweit bestbezahlte Autor unter Dreißig, schreiben Journalisten, weil Journalisten so etwas gern schreiben. Diese Gelassenheit kann aber durchaus mit Erfolg zu tun haben, wenn auch nicht zwingend mit finanziellem. Ich beneide ihn um sie, denn in mir tobt ständig etwas, und ich frage mich, was mich eigentlich zusammenhält. Nein, ich frage mich das nicht, ich weiß es ja, es ist das Schreiben, und deswegen muß ich etwas unternehmen, ich kann nicht einfach einen Roman zu Ende bringen und eine Weile nichts tun.
Nach der Veranstaltung sitze ich in einem der roten, bequemen Fauteuils im Foyer. Maurer fragt, ob ich noch mitgehe. Ich weiß nicht, ob ich Lust habe. Ich gratuliere ihm, er hat einen ganzen Abend mit englischer Moderation durchgestanden. Er freut sich. Nicht über mein Lob, sondern weil er selbst weiß, daß er gut war.
Ein SMS von Daniel: Bin auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis .
Ich schreibe zurück: Und du wirst den Preis auch kriegen .
Daniel hat gerade ein Buch veröffentlicht, das Die Vermessung der Welt heißt. Ich habe ihm prophezeit, er werde davon 80.000 Exemplare oder mehr verkaufen. Er sagt, ich spinne. Ich spinne nicht, das heißt, ich spinne schon manchmal, aber hier nicht. Und den Deutschen Buchpreis, den Preis für den besten Roman des Jahres, wird er wohl auch gewinnen. Erst gab es die Longlist: die besten 20 Titel, von einer Jury gewählt. Jetzt sind es noch 6, die Shortlist. Bei der Buchmesse in Frankfurt wird der Gewinner bekanntgegeben werden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es jemand anderer sein wird als er.
Es ist ein bißchen seltsam für mich, zuzusehen, wie Ruhm und Erfolg meines Freundes von Woche zu Woche größer werden. Vor einigen Jahren war ich für kurze Zeit der etwas weniger Unbekannte und Erfolglose. Jetzt hat er schon 25.000 Exemplare seines neuen Buches verkauft, und ich stehe ohne Verlag da.
Thomas Gratzer, der Rabenhof-Chef, sagt, ich soll noch mitkommen. Er drängt, ich sage okay. Wir gehen zu seinem Auto. Jemand ruft ihn zurück, er soll gleich den Autor mitnehmen. Und so kommt, was ich befürchtet habe: Ich muß Englisch sprechen.
Vorne am Steuer Gratzer, im
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