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Das blaue Siegel

Das blaue Siegel

Titel: Das blaue Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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aber sofort bewusst und lächelte nonchalant. »Nein, natürlich nicht. Sie sind …«
    »Van Deurs«, sagte der Größere, »Prediger von der Heiden-Mission der Herrnhuter Brüder. Kapitän Collinson! Commander McClure!« Knappe Verbeugungen begleiteten diese Vorstellung. »Darf ich Sie mit Bruder Johannes Miertsching bekannt machen?!«
    Der kleinere der beiden Missionare, der aufgrund des plötzlichen Temperaturwechsels aus Knopflöchern und Kragen zu dampfen begann, schüttelte den Offizieren die Hand, wobei er sie in einer fremden Sprache begrüßte. Collinson hielt das für einen kleinen Scherz und lächelte milde. Offenbar wollte der Mann zeigen, dass er die Grußformeln irgendeines Eskimodialekts beherrschte. Seltsam war nur, dass seine abgehackte Sprache Collinson irgendwie bekannt vorkam.
    »Bruder Miertsching ist Deutscher«, erklärte prompt Mr. Van Deurs. »Er spricht leider kein Englisch.«
    »Und warum haben Sie ihn mitgebracht?« Collinson konnte dem Prediger von der Heiden-Mission der Herrnhuter Brüder nicht folgen. Erst bei dessen weiteren Ausführungen entglitten ihm langsam die gefassten Gesichtszüge.
    »Bruder Miertsching ist Ihr Dolmetscher, Sir. Er war fünf Jahre lang in unserer Missionsstation in Labrador tätig. Er versteht und spricht alle uns bekannten Eskimosprachen und ihre regionalen Dialekte.«
    »Aber kein Englisch?«, fragte ungläubig der Kommandant, und sein Nacken begann sich zu röten.
    »Nein«, sagte Van Deurs ungerührt. »Bruder Miertsching versteht sich auf alle Unbilden des Lebens im hohen Norden. Er kann ein Schneehaus bauen, jagen und ein Schlittengespann lenken …«
    »Aber nicht Englisch!« Collinson stand jetzt kurz vor einem Schlaganfall und musste seine ganze Energie darauf verwenden, seine Gefühlsaufwallung nicht mit explosionsartigen Schreien zu begleiten. Er wünschte sich an Deck, in einen Höllensturm, vor sich ein Riff und neben sich drei Dutzend Matrosen, die er in die Wanten jagen könnte.
    Diese Vorstellung beruhigte ihn etwas, er entließ den aufgestauten Atem aus seiner gequälten Lunge, putzte unnötigerweise schon wieder seine Brille und sagte ruhig, aber mit nicht zu verbergender Ironie: »Sie meinen also, er wird uns alles, was die Eskimos sagen, ins Deutsche übersetzen? Das wird enorm hilfreich sein. Vielen Dank, Gentlemen. Würden Sie bitte an Deck auf uns warten?«
    Die Schritte der unglücklichen Missionare waren auf dem Niedergang noch zu hören, als der Kommandant ganz aus sich herausging.
    »Gottverflucht! Diese Mistkerle! Diese dreimal verfluchten Bürokratenhengste! Da fordert man einen Mann an, der die Sprachen der Eskimos beherrscht …«
    »… und bekommt ihn, Sir!«, warf McClure mit einem Grinsen ein.
    »Und kriegt einen Deutschen! Einen Deutschen! Da hätten sie uns auch gleich einen Eskimo schicken können!«
    »Er wird sehr schnell Englisch lernen, Sir. Und es dauert doch mindestens sechs Monate, bis wir …«
    »Ich seh uns schon, ich seh uns da auf dem Eis stehen.« Collinson begleitete seine Ausführungen durch eine sehenswerte kleine Pantomime. »Er mit einem englischen Wörterbuch und ich mit einer deutschen Grammatik! Und im Hintergrund dreihundert Eskimos mit Pfeil und Bogen …«
    McClure konnte nicht anders, als über die gespielte Verzweiflung seines Kommandanten zu lachen. Der stutzte dabei plötzlich und bekam wieder seinen heiteren, wagemutigsten Gesichtsausdruck.
    »Ich sag Ihnen was! Sie übernehmen diesen Heidenfresser, McClure. Sorgen Sie dafür, dass er bis Valparaiso genügend Englisch gelernt hat, und ich tausche ihn wieder zurück. Sagen wir gegen ein Fässchen Rum!«
    »Ay, Sir!« McClure seufzte. Er hatte sofort verstanden, dass dies kein Scherz, sondern ein Befehl war oder doch werden würde. Er ging nach oben, um »Brother Mierching« von seiner neuen Abkommandierung in Kenntnis zu setzen.
    Der kleine Missionar hatte trotz des Regens seinen Mantel geöffnet und war gerade dabei, sein Gepäck an Bord zu bringen, als ihm durch seinen Dolmetscher Van Deurs eröffnet wurde, dass er leider auf dem Begleitschiff fahren müsse, da seine Kajüte auf der Enterprise noch nicht instand gesetzt sei. Es schien ihn kaum zu berühren. Er trat lediglich an die Reling, schaute zu dem anderen Schiff hinüber und versuchte, trotz der hereinbrechenden Dunkelheit einen Namen zu entziffern.
    »Investigator , Bruder Van Deurs. Was bedeutet das bitte?«
    »Investigator, das Wort meint einen Erforscher oder Ermittler«, sagte

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