Das Blumenorakel
Kuno â¦Â« Ernestines Brust hob und senkte sich, als wäre sie gerannt.
»Ich verstehe nicht â¦Â« Floras Stimme war ein einziges Fragezeichen. Dankbar registrierte sie, dass Sabine kurz ihre Hand drückte.
Der Polizist räusperte sich erneut. »Frau Walbusch meint, die Blumen, die Sie ihr gestern geschenkt haben, seien hochgiftig! Also, wo haben Sie das Kraut?«, fragte er in bemüht barschem Ton.
»Da hinten im Eimer, da ist es!«, antwortete Else Walbusch an Floras Stelle. »Aber ⦠da ist ja kaum noch etwas übrig! Gestern war das ein ziemlich dickes Büschel. Ich möchte nicht wissen, an wen sie das Giftzeug noch verschenkt hat.«
»Flora â was ⦠bedeutet ⦠das?« Ernestine taumelte, sodass sie sich an der Ladentheke festhalten musste.
»Die Pflanzen, die ich gestern früh gepflückt habe, sind anscheinend giftig. Und ich habe sie jedem geschenkt, der in den Laden kam«, sagte Flora tonlos. »Sie rochen doch so gut â¦Â«
»Du meinst â¦Â« Stirnrunzelnd schaute Sabine hinüber zu denWassereimern mit dem Grünzeug. »Rührt daher vielleicht auch Herrn Sonnenscheins Hustenattacke?«
»Sie geben also zu, die Ihnen vorgeworfene Tat begangen zu haben?«, fragte der Polizist streng.
Flora biss sich auf die Lippe. Ein Albtraum. Gleich würde sie aufwachen, sich die bösen Träume mit kaltem Wasser aus dem Gesicht wischen und lachen â
»Flora?«, hauchte Ernestine.
Doch Flora hatte es längst die Sprache verschlagen. Die Pflanze mit den Spinnennestern, dann noch eine Giftpflanze â offenbar hatte sie am Tag zuvor äuÃerst treffsicher gerade die Pflanzen gepflückt, die am meisten Schaden anrichteten.
»Ich habs doch nur gut gemeint â¦Â«
»Ich glaube, heute ist es wirklich angebracht, dass ich den jungen Herrn aus der Trinkhalle hole«, murmelte Sabine und rannte los.
Flora war in ihr Zimmer verbannt worden, während die Familie über ihre weitere Zukunft im Hause Sonnenschein beriet. Doch lange hielt sie es in der Dachkammer nicht aus â die Vorstellung, ihre Siebensachen packen und heimfahren zu müssen, war zu schrecklich. Was würden bloà die Eltern dazu sagen? Vielleicht â wenn sie den Sonnenscheins noch einmal alles erklären konnte â¦
Auf Zehenspitzen tappte sie die Treppe hinunter und traf vor der Esszimmertür eine weitere Lauscherin an: Sabine.
»Und? Werd ich heimgeschickt?«, flüsterte Flora.
Die Magd zuckte mit den Schultern. Sie trat einen Schritt zur Seite, damit Flora ihr Ohr an die Tür legen konnte.
»⦠möchte mir gar nicht vorstellen, was die Leute jetzt reden!« â »⦠noch die letzten Kunden vertrieben â¦Â«Â â »⦠hat es doch nur gut gemeint â¦Â«Â â »Vorwitzig! Lebensgefährlich und ⦠So war das alles nicht gedacht! ⦠Sie sollte dem Vater doch eine Hilfe sein, stattdessen ⦠Gefahr für Leib und Leben â¦Â«
»Jetzt ists aber genug!«, dröhnte auf einmal Friedrichs Stimme so laut durch die geschlossene Esszimmertür, dass Sabine und Flora zusammenzuckten. »Flora hat gewiss niemandem nach Leib und Leben getrachtet, das Ganze war eine Verkettung unglücklicher Umstände, mehr nicht.« Friedrich schien nun unmittelbar vor der Tür zu stehen, jedenfalls konnten Flora und Sabine jedes seiner Worte deutlich verstehen.
»Wollt ihr sie wegen dieser Sache wirklich heimschicken?«
»Ja ⦠Nein â¦Â«, war Kuno Sonnenscheins gequälte Stimme zu hören. »Ich glaube auch, dass es das Mädchen nur gut gemeint hat â«
»Gut gemeint, ha! Und was ist mit den Leuten in der StraÃe? Wie soll ich denen nach dieser ⦠Katastrophe wieder unter die Augen treten?«
»Ach Mutter â¦Â« Friedrich seufzte laut auf. »Mir wird schon was einfallen, um die Leute wieder zu versöhnen. Solange Flora bleiben kann â¦Â«
Die beiden Lauscherinnen schauten sich an. »Der nimmt dich ja ganz schön in Schutz!«, sagte Sabine.
Flora nickte betroffen. Auch vorhin im Laden hatte sich Friedrich Sonnenschein ziemlich für sie ins Zeug gelegt â immerhin hatte er es geschafft, sowohl Else Walbusch als auch den Polizisten zum Rückzug zu bewegen.
»Mutter, was hältst du davon, wenn wir gemeinsam
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