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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Küchentür. »Das ist bestimmt nur das schwülwarme Wetter«, sagte sie.
    Â»Das Wetter, ja«, sagte auch Ernestine. »Mir ist auch schon ganz blümerant zumute. Sabine – könntest du …?«
    Die Magd wischte sich seufzend die Hände an einem Küchentuch ab. »Am besten führen wir den Herrn in die Wohnung. Flora, hilfst du mir?«

    Â»Seltsam – so einen Hustenanfall hat er wirklich noch nie gehabt, er ist ja fast erstickt«, sagte Sabine, nachdem sie Kuno in die gute Stube auf die Chaiselongue gebracht hatten. Kleine Schweißperlen standen auf seiner Stirn, auch war er leichenblass, doch seine Atmung hatte sich wieder etwas beruhigt.
    Â»Sollen wir nicht für alle Fälle lieber seinen Sohn rufen?«, fragte Flora unsicher.
    Sabine lachte nur. »Der junge Herr würde sich bedanken, würde ich ihn jedes Mal, wenn es seinem Vater schlechtgeht,aus der Trinkhalle holen! Ich muss halt wie immer ein Auge auf Herrn Sonnenschein haben.«
    Sie verzog den Mund. »Und jetzt geh! Wenn ewig das Schild Komme gleich wieder an der Ladentür baumelt, bleiben noch die letzten Kunden aus!«

    Alles in allem war Flora höchstens zehn Minuten hinten im Haus gewesen. Vor lauter Aufregung hatte sie jedoch zuvor vergessen, die Ladentür abzuschließen. Als sie nun ins Geschäft zurückkam, erschrak sie: Zwei Frauen beugten sich über die Blumeneimer vor der Theke, eine zog gerade ein Büschel Rosen heraus.
    Â»Na endlich! Wir haben schon gedacht, wir müssen uns selbst bedienen«, sagte die Frau. »Die hätte ich gern.« Sie hielt Flora die Blumen vors Gesicht.
    Â»Sehr gern, gnädige Frau«, murmelte Flora, während es ihr heiß und kalt den Rücken hinablief. Sie eilte hinter die Theke, riss alle Schubladen gleichzeitig auf. Gab es kein Einwickelpapier? Was kostete der Strauß? Wo war die Kasse? Himmel hilf! Ausgerechnet heute, an ihrem ersten Tag, musste Kuno Sonnenschein –
    Flora wickelte die Rosen in Kunos Zeitung ein und nannte einen Preis, der offensichtlich zu niedrig war, denn schon sagte die Frau: »Dann nehme ich doppelt so viele!«
    Flora lächelte gequält. »Sag – bist du das neue Lehrmädchen? Die Württembergerin? Und wo ist Kuno eigentlich?«
    Â»Ã„h, ja, ich bin Flora … Und der gnädige Herr ist –« Abrupt brach sie ab. Eigentlich ging es die naseweise Frau nichts an, was mit dem gnädigen Herrn los war.
    Â»Wenn Sie möchten, lege ich ein bisschen Grünzeug dazu – es kostet auch nichts«, sagte sie und schnitt ein paar Stängel von der selbstgepflückten duftenden Pflanze ab. Die Frau wirkte erfreut.
    Â»Vielleicht komme ich heute auch noch dran?«, kam es ungeduldig von der anderen Frau. »Ich brauche Blumen für einen Geburtstagstisch. Himmel, das dauert hier immer …«
    Einen kleinen Knicks andeutend, lächelte Flora die Kundin an. »Sie sind als Nächste dran!«

    Eine gute Stunde später hatte Flora mindestens sieben Kundinnen bedient – und allen hatte sie einen Stängel von der Duftpflanze geschenkt.
    Â»Dass einem jemand etwas schenkt, kommt selten vor, nur Kummer und Leid gibt es immer umsonst«, hatte eine ältere Frau gemurmelt. Sie hatte sich eine einzige Tulpe gekauft, und ihre Finger, rot und rau wie die einer Wäscherin, hatten die Blüte gestreichelt. Lange hatte sie in ihrer Geldbörse nach den paar Kreuzern kramen müssen. »Eigentlich kann ich mir so einen Luxus wie Blumen gar nicht leisten. Aber wenn ich die Tulpen angucke, muss ich immer an meinen Eugen denken, der hatte sie auch so gern …« Flora hatte der Frau spontan noch ein paar Vergissmeinnicht in die Hand gedrückt. »Diese Blumen besagen, dass man jemanden immer im Herzen tragen wird!«, sagte sie, und die Frau lächelte.
    Nicht alle Kundinnen waren so arm gewesen, aber bei der einen oder anderen hatte sich Flora schon gefragt, ob außer dem Blumenschmuck wohl noch etwas anderes auf den Tisch kam. Flora seufzte.
    Dass sie ein Büschel Vergissmeinnicht verschenkt hatte, würde sie Herrn Sonnenschein natürlich beichten.
    Inzwischen hatte Flora nicht nur die Kasse gefunden – eine Holzschatulle in der oberen Schublade der Theke, versteckt unter alten Lappen, sondern auch noch eine Art Preisliste. Zumindest hoffte sie, dass es sich darum handelte und nicht um die

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