Das Blumenorakel
ist eklig! Einfach widerlich! Nein, tut mir leid, beim besten Willen â das kann ich nicht!« Sie hob beide Hände in einer abwehrenden Geste, dann machte sie einen Schritt nach hinten. »In der Kammer neben dem Flur findest du Putzzeug und â«
»Bitte, ich flehe dich an, lass mich nicht allein â¦Â« Flora hielt Sabine am Ãrmel fest, während ihr vor lauter Ekel die Härchen zu Berge standen. »Vielleicht mit einem Besen?«, krächzte sie. »Bitte!«
Auf dem Boden, an den Wänden, über der ganzen Theke â überall wuselten Hunderte von kleinen, fast durchsichtigen Spinnentieren. Sie krabbelten an den Blumeneimern hoch, saÃen reglos auf dem Boden oder wuselten von hier nach da.
»Kuckucksspucke â wo kommen die alle her? Ãber Nacht â¦Â«, wimmerte Flora. Was für ein schrecklicher Laden das war! »Hattet ihr so etwas schon mal?« Argwöhnisch schaute sie Sabine an, die das sofort heftig verneinte.
»Wenn die gnädige Frau die Viecher zu Gesicht bekommt, fällt sie auf der Stelle tot um! Was ich fast verstehen könnte â¦Â« Sabine zog eine missmutige Grimasse. »Also, pass auf: Erst schlagen wir sie mit der Schaufel tot. Und dann ⦠Ich kehre und du hältst die Schaufel hin â und nicht umgekehrt!«
Eilfertig rannte Flora in Richtung Rumpelkammer, um Eimer, Schaufel und Besen zu holen. Alles war besser, als dem Ekel allein ausgesetzt zu sein!
Eine Zeit lang schlugen die Frauen ohne gröÃeren Erfolg um sich â die Spinnen waren schnell und offenbar sehr lebensfroh. Doch nach einer Weile wurden Floras und Sabines Schläge präziser. Der Boden war bereits von vielen zerquetschten Tieren übersät, als Floras Blick erneut starr wurde.
»Sabine«, flüsterte sie. »Da!« Mit spitzen Fingern zeigte Flora auf die Zweige, die sie am Vortag geschnitten hatte. Die Zweige, die sie so besonders schön gefunden hatte.
Dort, wo die hübsch anzusehenden kokonartigen weiÃen Bälle gesessen hatten, prangten nur noch zerfetzte Hüllen, aus denen weitere Spinnentiere krabbelten.
»Ach du meine Güte â¦Â« Die Magd schlug eine Hand vor den Mund.
»Was hab ich da ins Haus geschleppt?« Vor lauter Schauder lachte Flora hysterisch auf.
Die Spinnenbeseitigung war noch in vollem Gange, als die Ladenglocke bimmelte. Die beiden jungen Frauen schraken zusammen â keine hatte daran gedacht, die Tür zuzuschlieÃen.
Es dauerte einen Moment, bis Flora in dem groÃen Schatten, der sich vor ihr aufbaute, eine ihrer Kundinnen vom Vortag erkannte. Gleich hinter ihr stand ein Mann in Uniform.
»Die wars! Von ihr hab ich das Teufelszeug bekommen! Von wegen âºGeschenkâ¹Â â umbringen wollte die Württembergerin mich! Und meinen Otto gleich dazu.«
Der Polizist räusperte sich. »Noch ist nichts erwiesen. Wir sind lediglich dabei, die Tatbestände zu ⦠erforschen und â«
»Tatbestände?«, unterbrach die Frau ihn höhnisch. »Schauen Sie sich das Weibsbild doch an â wie sie da hockt mit ihrem Unschuldsgesicht. Ich sags Ihnen, es war ein Attentat. Jämmerlich ersticken sollte ich. Warten Sie nur ab, gleich kommt der Herr Doktor und dann werden Sie Ihre Tatbestände schon bekommen â¦Â«
Der Polizist schaute fast kleinlaut zu Boden, wo noch immer ein paar Spinnen unterwegs waren.
»Das ist Else Walbusch â die Frau vom Gemischtwarenladen ⦠Wovon redet das Weib?«, zischte Sabine Flora zu und zertrat ein paar der Viecher unter ihrem Schuh.
»Keine Ahnung.« Flora rappelte sich mühsam auf. Allmählich hatte sie das Gefühl, in einem Albtraum gelandet zu sein. Ein Attentat?
»Die Polizei ist bei uns?« Ernestine, die von dem Geschrei im Laden angelockt worden war, schaute mit weit aufgerissenen Augen von einem zum anderen. »Heilige Mutter Maria!«
»Ja, da guckst du! Und ich bin nicht die Einzige, auf deren Leib und Leben es euer Lehrmädchen mit ihrem Grünzeug abgesehen hatte. Die Gretel, die Frau vom Schuster, die Witwe vom Eugen â alle haben sie vor lauter Husten und Atemnot den Arzt rufen müssen. Und alle haben sie dieselben grünen Wedel in der Blumenvase! Die sie hier bei euch im Laden bekommen haben.« Fast triumphierend schaute Else Walbusch in die Runde.
»Du lieber Himmel â¦
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