Das Blumenorakel
bestens verstehen. «
Floras Hand mit dem Brief sank nach unten. »Der sechste Januar ist abgesegnet â Gott sei Dank! Wenn ich mir vorstelle, die Warterei würde noch länger dauern ⦠Wisst ihr, der sechste ist ein Samstag und von Samstagmittag bis Montag früh ist der Blumenladen geschlossen, daher macht es Sinn, die Feier auf ein Wochenende zu legen. Aber dass sich Ernestine so bereitwillig auf Gönningen einlässt, hätte ich, ehrlich gesagt, nicht gedacht.«
Suse lachte. »Meist sind die Eltern des Bräutigams doch froh, wenn sie mit der Ausrichtung der Feier nichts zu tun haben. Der Aufwand! Und die Kosten!«
Flora zuckte mit den Schultern. »Von Friedrichs Seite kommt höchstens ein Dutzend Leute, während wir gut zweihundert Gäste haben werden. Die alle nach Baden-Baden zu verfrachten, wäre ziemlich aufwändig geworden.«
Flora widmete sich erneut dem Brief.
Mutter ist schrecklich aufgeregt, sie fängt tausend Sachen an, ohne eine zu Ende zu bringen. Bis zum sechsten Januar sind wahrscheinlich nicht nur ihre Nerven ruiniert, sondern Vaters und meine noch dazu! Liebste, sei froh, dass du das alles nicht miterleben musst.
Flora zog eine Grimasse. »Da steht, seine Schwester könne leider nicht zur Hochzeit kommen. Darüber bin ich nicht gerade traurig ⦠Vor ein paar Wochen waren Friedrich und ich an einem Sonntag im Kloster Lichtenthal. Und da hatte ich das Vergnügen, Sybille kennenzulernen«
»Und wie ist sie so? Eine Nonne in der Familie â das hat auch nicht jeder.«
»Ich fand Sybille mit ihrer Duldermiene ziemlich langweilig. Und dann hat sie manchmal so giftige Bemerkungen gemacht â als wäre sie neidisch auf Friedrich. Jedenfalls â als wir nach einer Stunde endlich wieder gingen, war ich richtig froh.« Flora runzelte die Stirn. »Eigentlich ist das seltsam ⦠Das Klosterliegt so nahe bei der Stadt und ist doch eine ganz eigene, andere Welt.«
Kurz darauf waren Floras Gedanken schon wieder weitergewandert und sie blätterte die nächste Briefseite um.
»Flora, bitte, nun zappele doch nicht so«, nuschelte Seraphine und zog eine Stecknadel zwischen ihren Lippen hervor. »Wenn du nicht stillhältst, wird das mit dem Kleid wirklich nichts.«
Mit jeder Woche, die ins Land ging, gediehen die Hochzeitsvorbereitungen weiter. Seraphine gelang tatsächlich das Wunder, ihr altes Brautkleid Flora so auf den Leib zu schneidern, dass es wunderschön aussah.
Hannah organisierte mit Hingabe die Feierlichkeiten im Adler, dem gröÃten Gasthof des Dorfes. Er hatte nicht nur einen groÃen Saal, sondern auch etliche Fremdenzimmer â dort würde die Familie Sonnenschein samt Anhang übernachten können. AuÃerdem hatte im Adler vor vielen Jahren ihre eigene Hochzeit stattgefunden. Dementsprechend sentimental war Hannah gestimmt. Wenn nur Helmut endlich heimkäme â wie gern hätte sie mit ihm in Erinnerungen geschwelgt!
Wenn du denkst, dieser Bursche sei der Richtige für unsere Flora, dann sag den beiden, dass sie meinen Segen haben!, hatte er Hannah geschrieben, nachdem Flora und Friedrich ihn von ihren Plänen in Kenntnis gesetzt hatten. Flora hat ihn sich ausgesucht â also wird er schon der Richtige sein, schrieb Hannah zurück. Woraufhin Helmut in seinem nächsten Brief antwortete:
Hoffen wir, dass unsere Flora das gleiche gute Händchen hat wie einst ihre Mutter.
Ach Helmut â¦
»Helmut, mein Liebster! Endlich!« Schluchzend vor Freude warf sich Hannah in die Arme ihres Mannes. »Ich hab schon befürchtet, ihr schafft es nicht mehr rechtzeitig.« Hannah bedeckte das Gesicht ihres Mannes mit tausend Küssen.
Helmut, der noch immer seinen Rucksack auf dem Buckel hatte, versuchte lächelnd und ohne viel Nachdruck, sich von seiner Frau zu befreien. »Der Heilige Abend ist doch erst morgen, sind wir also nicht mehr als pünktlich?«
Valentin, der noch immer im Türrahmen stand, räusperte sich. »Ãhm â vielleicht darf ich auch eintreten?« Ãber Helmuts Schulter hinweg spähte er in Richtung Treppe.
Wo bleibt denn Seraphine?, fragte sich auch Flora, die ungeduldig darauf wartete, ihren Vater umarmen zu dürfen.
Da kamen die Männer aus fernen Landen angereist, und keine Spur von der Tante ⦠Zugegeben, man musste sich nicht ganz so aufführen wie die
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