Das Blumenorakel
drein. »Aber weiÃt du, Friedrich und ich â¦Â«
»Ja?«
»Nun ja, irgendwie kommt es mir seltsam vor, dass wir bald Mann und Frau sein werden. Wenn ich nur daran denke, dass wir â¦Â« Konzentriert zog Flora mit einem Fingernagel die Rillen der Tischplatte nach.
Hannah seufzte innerlich auf. Oje, jetzt kamen die Fragen, die jede Mutter in dieser Situation fürchtete! Fragen zur Hochzeitsnacht. Fragen, bei denen man um jedes Wort rang.
Auf einmal fühlte sich Hannah alt und müde und ganz weit weg von all dem. Was sollte sie ihrer Tochter mit auf den Weg geben? Wer war sie , dass sie gute Ratschläge verteilen konnte?
»Keine Sorge, Kind, alles wird sich fügen. Es gibt ⦠Dinge zwischen Mann und Frau, über die braucht man nicht vorher zu reden. Sie geschehen einfach. Und alles ist nur halb so schlimm, glaube mir«, sagte Hannah so bestimmt wie möglich. Dann straffte sie den Rücken, zog resolut die Schublade, die unter der Tischplatte angebracht war, auf und kramte nach Papier und Bleistift.
»Lass uns lieber an deinen Vater schreiben. Der wird Augen machen, wenn er die frohe Botschaft bekommt.«
25 . K APITEL
Baden-Baden, den 2 . November 1871
Meine liebe Flora!
Jetzt sind wir schon drei Wochen voneinander getrennt und meine Sehnsucht ist so groÃ, dass ich am liebsten in den nächsten Zug nach Gönningen steigen würde!
Flora schaute von Friedrichs Brief auf. »Er vermisst mich ⦠Ach, ich vermisse ihn auch so sehr! Was für eine dumme Idee, dass ich bis zur Hochzeit hierbleiben soll.«
»Was heiÃt hier dumme Idee?«, sagte Seraphine. »Haben wir bis zum groÃen Tag nicht noch genügend Arbeit?«
»Natürlich.« Floras Blick wanderte sehnsuchtsvoll aus dem Fenster in die Richtung, wo sie Baden-Baden vermutete.
Es war ein trüber Novembertag, der Nebel hing so tief über den Wänden der Alb, dass Gönningen von Dunst und feuchter Kühle eingehüllt war. »Wenns bis zur Hochzeit nur nicht mehr gar so lange wäre â¦Â«
Während Hannah unten im Haus rumorte, befanden sich Suse und Seraphine mit Flora in deren Zimmer. Seraphine bemühte sich redlich, ihr wunderschönes, aber viel zu kleines Hochzeitskleid für Flora passend zu machen. Immer wieder steckte sie mit Heftnadeln Stoffbahnen im Ausschnitt, am Rückenteil und am Rock fest. Flora musste sich dann drehen und bücken und eine Sitzprobe machen. Entweder saà das Oberteil einigermaÃen, dafür wölbte sich der Rock unschön. Oder der Rock fiel schwingend, dafür spannte es über Floras Brust.
Während dieses höchst komplizierten Prozesses lieà es sich Flora nicht nehmen, aus Friedrichs Brief vorzulesen, der am Morgen angekommen war. Sie brannte auf Neuigkeiten aus Baden-Baden. Und natürlich musste sie alles den anderen mitteilen.
»Derweil nutze ich jede freie Minute, um mein Zimmer mit dem von Sybille zu verbinden. Die Tür ist schon weg, nun muss ich den Parkettboden im Durchgang ausbessern, dann die Möbel umräumen. Hoffentlich gefällt dir das kleine Nest, das ich für uns beide vorbereite.«
Suse seufzte. »Ein kleines Nest, wie romantisch!«
Flora runzelte die Stirn. »Wenn ich mir vorstelle, dass ich nach Baden-Baden zurückkomme und nicht mehr mit Sabine in der Dachkammer wohne, sondern mit Friedrich â¦Â«
»Erzähl doch mal â wo liegen denn Eure Räume? Und wie schauen sie aus?«, wollte Seraphine wissen.
»Im ersten Stock, gleich neben dem Elternschlafzimmer. Hoffentlich schnarchen die beiden nicht zu sehr.« Flora kicherte. »Wie Friedrichs Zimmer aussieht, kann ich dir gar nicht sagen â dort war ich bisher noch nie. Sybilles Zimmer, das wir ebenfalls bewohnen dürfen, ist eigentlich nur eine Kammer mit Fenster. Ach, ihr müsst mich so schnell wie möglich besuchen kommen, dann zeige ich euch alles.« Sie blätterte auf die nächste Seite des Briefes. »Was lese ich denn da? Mutter lässt ausrichten, sie sei damit einverstanden, dass die Hochzeit am sechsten Januar in Gönningen stattfindet. Auch die Sitzordnung für das Hochzeitsmahl, die deine liebe Mutter so mühevoll aufgezeichnet und ihrem letzten Brief angefügt hatte, findet Mutters Billigung. Das trifft übrigens auf alle Vorschläge zu, die deine Mutter der meinen unterbreitet â ich glaube, die beiden werden sich
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