Das Blut der Akkadier - Serienspecial (German Edition)
Getreide, Akazien und trockenem Gras. Und überall, wo es nach Wärme und Sommer duftete, fühlte sich die Bestie heimisch.
Ella schüttelte grimmig den Kopf, als die Datenbanken der städtischen Krankenhäuser noch immer keine Opfer eines plötzlichen Herztodes aufführten. Es ging ihr dabei nicht um ältere oder chronisch kranke Menschen, sondern die jüngeren, die so überraschend an einem Herzstillstand infolge von Asystolie oder Kammerflimmern starben, dass es dafür meist nur eine Erklärung gab – Taryk, die ihre Seele in sich aufgesaugt und nur eine leere Hülle zurückgelassen hatten. Das wussten die Ärzte nicht, aber Ella. Doch da waren keine Herztoten. Null Tarykopfer seit jetzt ziemlich genau sieben Wochen. Absolut unmöglich! Erst heute waren sie und Brix auf eine derart große Gruppe gestoßen – die mussten sich doch von irgendwas ernähren.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Sie schloss die Datenbank und öffnete die Homepage der ‚Australian Federal Police‘, suchte nach den letzten Vermisstenmeldungen. Es dauerte, bis sie den Radius eingegrenzt hatte. Und –
„Scheiße!“, murmelte sie und kroch vor Entsetzen fast in den Monitor. Über zwanzig Vermisste allein im letzten halben Jahr. Soweit Ella das überblicken konnte, alles relativ junge Menschen.
Sie lehnte sich im Drehstuhl zurück und starrte auf die Bilder, rieb sich mit den Händen über die Wangen, doch das half nicht gegen ihre aufkommende Übelkeit. Wenn Taryk Menschen verschleppten und nicht töteten, dann … war das ein so dermaßen beschissenes Zeichen für etwas Größeres. Etwas viel Größeres. Mit Ausmaßen einer …
Ella schüttelte den Kopf. Wollte nicht daran denken, dass sich im Westen Australiens möglicherweise eine verfluchte Tarykkönigin aufhielt. Ihr wurde eiskalt. Es gab nicht viel, wovor sie Angst hatte. Genau genommen nur eins – verdammte Königinnen. Auch wenn sie in den wenigen Jahren ihres Unsterblichendaseins das Kämpfen und Töten bis zur Perfektion geübt und noch nie einen Kampf verloren hatte, so wäre es selbst für sie und Brix zusammen absolut unmöglich, ein komplettes Nest, ein wahrscheinliches Königreich auszulöschen. Weibliche Akkadier galten als Geheimwaffe gegen Königinnen – das hatte man ihr eingebläut. Verdammt! Sie wollte keine Geheimwaffe sein. Was, wenn sie versagte und ihretwegen Dutzende von Akkadiern starben?!
Ella schloss den Browser und löschte ihre Spuren in der Chronik, sprang vom Stuhl auf, ließ einen Fünf-Dollar-Schein liegen und rannte nach draußen an die frische Luft. Sofern man neunundzwanzig Grad als frisch bezeichnen konnte.
„Du musst atmen, blöde Kuh!“, forderte sie sich selbst auf und stützte ihre Hände in die Hüften. Na und? Dann gab es eben ein paar Vermisste. Das musste gar nichts bedeuten. Vielleicht ein Menschenhändlerring, ganz harmlos, nichts Dramatisches. Keine Königin. „Krieg dich ein!“
Nach weiteren Minuten, in denen es ihr gelang, ruhiger zu werden, beschloss sie, bei der ‚Voodoo Lounge‘ im Amüsierviertel ‚Northbridge‘ vorbeizuschauen. Da ging selbst montags die Post ab. Und wo sich nackte Mädels tummelten, waren auch Taryk nicht weit. Man hätte meinen können, mit dem Stehlen der Seele wären ihre Taten schlimm genug. Doch diese Bastarde machten auch vor üblichen Gewaltverbrechen keinen Halt.
Dort angekommen verspürte Ella wenig Drang danach, sich den Table-Dance und die Fleischauslage im Inneren der Bar anzusehen. Daher versteckte sie sich im Schatten eines Hauseingangs gegenüber des zweistöckigen, blau angestrichenen Gebäudes und wartete. Über kurz oder lang würde sich garantiert jemand in die unbeleuchtete Seitenstraße verlaufen und irgendeinen Unsinn anstellen.
Die Nacht kühlte langsam herunter. Womöglich würden die Temperaturen bald zwanzig Grad erreichen. Was für eine Wohltat. Über ihr wölbte sich der dunkelblaue Mitternachtshimmel. Sterne konnte die Akkadia nur vereinzelt erkennen. Dafür strahlte Perth selbst viel zu hell.
Und während Ella ungeduldig auf Arbeit wartete, stahl sich Brix durch ihren Kopf. Hoffentlich lebte er noch. Wenn nicht, würde sie tierischen Ärger mit Elias bekommen. Sie überlegte, was es mit dieser Dotty auf sich hatte. Zweifelsohne hatte sie ihm viel bedeutet. Doch sie war bereits vor über einhundertsechzig Jahren gestorben, genau in dem Jahr, als Ella auf die Welt kam. Auch sie selbst hatte ihre Eltern begraben müssen, ihre Schwester und ihre zwei Brüder, deren
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