Das Blut der Rhu'u
führte sie in einen Raum, der genauso spartanisch eingerichtet war wie das »Audienzzimmer«. An der Wand entlang stand ein breites Holzgestell, das wie ein flacher Tisch aussah. Doch die darauf ausgebreiteten Strohmatratzen und Decken zeigten, dass es ein Bettgestell sein sollte. Gao zeigte ihnen auch die Latrinen und die Waschgelegenheiten und ließ sie danach allein.
Einige Mönche brachten Tabletts mit Essen und Tee sowie Butterlampen. Andere stellten einen kleinen Altar mit einer Buddhastatue in einer Ecke auf und entzündeten darauf Räucherwerk. Camiyu nahm ebenfalls ein Räucherstäbchen, zündete es an und setzte es mit einer Verbeugung vor Buddha in das Räuchergefäß zu den anderen Stäbchen. Der würzige Duft des Rauchs breitete sich aus und erfüllte langsam den ganzen Raum.
Kara legte ihren Rucksack auf eine Strohmatratze direkt an der Wand.
Camiyu deutete auf den Platz neben ihr. »Ist es dir recht, wenn ich mich hier niederlasse?«
Kara nickte. Sie war gern in seiner Nähe. Seltsamerweise fühlte sie zu ihm eine fast ebenso starke Verbindung wie zu Kyle, nur auf einer anderen Ebene. Er lächelte dankbar.
»Wie lange wird die Beratung wohl dauern?«, fragte Cassie.
Cal zuckte mit den Schultern. »Einen Tag mindestens. Oder eine Woche. Einen Monat. Das Ganze ist ein Test, und zwar in mehr als einer Hinsicht. Sie testen unsere Geduld und unser Verhalten. Ob wir würdig sind, unser Erbe zu übernehmen. Sie testen auch unseren Respekt vor ihren Sitten und Gelübden. Das bedeutet, wenn wir Hunger haben, werden wir uns beherrschen und notfalls ein paar Tage fasten. Das bringt uns nicht um. Die Mönche leben im Zölibat. Auf keinen Fall dürft ihr Frauen einen von ihnen verführen. Die nächste Stadt ist nur ein paar Meilen entfernt. Wenn wir länger bleiben müssen, holen wir uns dort unsere Nahrung.«
Kara bemerkte, dass Camulal ihr zuzwinkerte – zweifellos ein Angebot, dass sie nicht auf irgendeinen Mann aus der nächsten Stadt zurückgreifen musste, wenn sie Hunger hätte.
»Und natürlich dürfen wir keinen Versuch unternehmen, uns den Kristallen zu nähern«, fuhr Cal fort. »Seid euch immer bewusst, dass wir in jeder Sekunde beobachtet werden, auch wenn wir niemanden sehen. Ansonsten machen wir uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich. Ich hoffe, jeder von euch hat ein dickes Buch eingepackt gegen mögliche Langeweile. Und noch eins: Einige der Mönche beherrschen ebenfalls Magie. Zumindest die älteren unter ihnen. Meister San ist nicht nur ›Meister‹, weil er Abt des Klosters ist. Also benehmt euch.«
Cassie setzte sich zu Kara und stieß sie mit dem Ellenbogen an. »Wenn wir hier eh nichts weiter zu tun haben, können wir unsere Stunden oder auch Tage damit verbringen, dich weiter in Nahkampf zu unterrichten. Du hast noch eine Menge zu lernen. Vielleicht können die Mönche uns noch ein paar Tricks beibringen.«
»Gute Idee«, stimmte Camiyu zu. »Ich kann mir nicht denken, dass sie etwas dagegen haben, solange wir sie nicht stören.« Er lächelte Kara zu. »Ich habe die Chronik der Gemeinschaft mitgebracht. Mit etwas Glück habe ich genug Zeit, darin zu finden, wo sie den dritten Kristallsplitter versteckt halten.«
»Nachdem du das in fünfzehn Jahren nicht geschafft hast?«, spottete Kay.
Er zuckte mit den Schultern. »Ich hatte leider nicht die Zeit, oft darin zu lesen. Zunächst hat es ein paar Jahre gedauert, bis ich herausgefunden hatte, wo die Bücher versteckt sind. Und seitdem konnte ich immer nur ab und zu ein paar Seiten in der Nacht lesen, weil ich die Chronik jedes Mal auf ganz profane Weise aus dem Zimmer des Oberhaupts stehlen musste, während er darin schlief. Das war nicht immer einfach.«
»Du hast deine Sache sehr gut gemacht, Camiyu«, lobte Cal und warf Kay einen verweisenden Blick zu.
»Natürlich«, stimmte sie zu. »Aber wenn ich mir vorstelle, dass du tatsächlich unter unseren Todfeinden gelebt hast als einer von ihnen ...« Sie schüttelte den Kopf. »Auf so eine Idee konntest auch nur du kommen.«
»Aber es hat sich gelohnt«, meinte Camiyu lächelnd, packte die Chronik aus und begann zu lesen.
Cassie nahm Karas Hand. »Suchen wir uns einen Trainingsplatz.«
Sie brauchten nicht lange, um einen zu finden, und begannen mit ihren Aufwärmübungen, nachdem sie sich bei einem Englisch sprechenden Mönch erkundigt hatten, ob sie ihn benutzen durften. Schon bald schien jeder Mönch, der nicht gerade anderweitig beschäftigt war, sich eingefunden zu
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