Das Blut der Unschuldigen: Thriller
ganze Unternehmen war fehlgeschlagen.
Im Kopf des Grafen hallten Al-Bashirs Worte nach: »Es besteht die Möglichkeit, dass man uns verraten hat.« Aber wer konnte das gewesen sein?
Das andere Mobiltelefon klingelte, und er nahm das Gespräch sofort an. Es überraschte ihn nicht, die volltönende Stimme des Koordinators zu hören.
»Wo hält sich Ihre Tochter auf?«
Die Frage überraschte ihn. Warum wollte der Mann wissen, wo sich Catherine befand?
»Warum fragen Sie das?«
»Sie muss eine ganz besondere junge Frau sein, da sie die Gabe besitzt, an mehreren Orten gleichzeitig zu sein.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Dass sie seit drei Wochen im Haus einer Bekannten in Kalifornien lebt, einer recht erfolgreichen Malerin. Dort erholt sie sich von der tiefen Depression, in die der Tod ihrer Mutter sie gestürzt hat. Wegen ihrer ganz besonderen Begabung aber befindet sie sich gleichzeitig bei Ihnen, um die Örtlichkeiten aufzusuchen, an denen ihre Mutter früher gelebt hat.«
»Was sagen Sie da?« D’Amis spürte, wie ihm der Atem stockte.
»Ich hatte Ihnen ja gesagt, dass Sie auf offene Fenster achten sollten. Sie Dummkopf haben uns alle in Gefahr gebracht. Sie ganz allein sind für diesen Fehlschlag verantwortlich. Ihrem Freund al-Bashir wird das bestimmt nicht gefallen.«
»Ich werde sogleich meine Tochter zur Rede stellen.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich. Was glauben Sie, was die Ihnen sagt? Etwa, für wen sie arbeitet? Man muss wissen, wann man am Ende ist, und das ist bei Ihnen der Fall. Guten Abend.«
Graf d’Amis goss sich ein Glas Calvados ein und leerte es mit einem Zug. Dann klingelte er nach Edward. Nach weniger als zwei Minuten meldete sich der Butler bei ihm.
»Sagen Sie bitte meiner Tochter, dass ich mit ihr sprechen möchte.«
Er sah sie mit einem wortlosen Lächeln eintreten. Nein, sie sah weder Nancy noch ihm ähnlich, aber sie war fröhlich und schön. Die Tage, die er in ihrer Gesellschaft verbracht hatte, waren wie ein Geschenk gewesen.
»Du wolltest mich sprechen? Ich habe in meinem Zimmer noch einmal Bruder Juliáns Chronik gelesen. Ich muss zugeben, dass ich am Schluss davon fast genauso gefesselt war wie du«, sagte sie, während sie ihm gegenüber Platz nahm.
Er lächelte ihr zu, zog dann die oberste Schublade seines Schreibtisches auf und nahm einen Revolver heraus. Verblüfft sah sie ihn an, als er auf sie anlegte, doch er ließ ihr keine Zeit zu reagieren und schoss ihr eine Kugel in den Kopf. Mit blutüberströmtem Gesicht fiel sie zu Boden.
Als er sie niedersinken sah, traten ihm Tränen in die Augen. Dann steckte er sich den Lauf der Waffe in den Mund und drückte ab.
Durch die Schüsse aufgeschreckt, eilte Edward herbei. Seinen entsetzten Aufschrei hörte man in der ganzen Burg.
46
Hans Wein hatte sämtliche Mitarbeiter zusammengerufen. Was ihm sein tief bewegter Stellvertreter Panetta gerade berichtet hatte, war das Letzte, was er hätte hören wollen. Den ganzen Freitag hatten sie in Rom darauf gewartet, dass die Gruppe den vermuteten Anschlag auf die Heilig-Kreuz-Basilika verübte, doch war nichts geschehen. Die Polizei hatte alle Winkel des Sakralbaus gründlich durchsucht, aber nichts Verdächtiges entdeckt.
Immer wieder hatte sich Panetta gefragt, aus welchem Grund die Gruppe ihr Vorhaben aufgegeben haben mochte. Ob der Fehlschlag von Santo Toribio die Leute dazu veranlasst hatte, sich in ihre Löcher zu verkriechen?
Dann hatte der Leiter der Zweigstelle des Zentrums in Paris angerufen und mitgeteilt, was auf der Burg des Grafen d’Amis vorgefallen war.
Daraufhin war Panetta nach Brüssel geflogen und hatte vor dem vor Wut sprachlosen Hans Wein das schwierigste Bekenntnis seines Lebens abgelegt.
»Der Vorschlag, dass sie sich als angebliche Tochter des Grafen, die er noch nie im Leben gesehen hatte, in der Burg einschleichen sollte, stammte von mir. Sie wollte zuerst nicht, hat sich aber dann doch dazu bereit erklärt. Ich habe sie, wie dir bekannt ist, von Anfang an als kluge und tüchtige junge Frau eingeschätzt, und ich wusste, dass sie der Abteilung ihre Fähigkeiten beweisen wollte, weil sie sich ungerecht behandelt fühlte. Selbstverständlich war mir die mit dem Auftrag verbundene Gefahr bewusst. Matthew Lucas hat mir über seine Kontakte
in den Vereinigten Staaten ausführliche Informationen über Catherine de la Pallissière beschafft, und Mireille hat sich damit so lange beschäftigt, bis sie die Rolle glaubwürdig ausfüllen konnte.
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