Das Blut der Unschuldigen: Thriller
davon in Kenntnis gesetzt habe.
Der Nachmittag will kein Ende nehmen. Ich höre Schritte. Wer mag das sein?
»Geht es dir gut, Julián? Ich mache mir Sorgen um dich, weil mir Bruder Péire gesagt hat, dass du fieberst.«
Bei diesen Worten sprang der Mönch auf und umarmte den hochgewachsenen kräftigen Mann, der unaufgefordert in sein Zelt getreten war. Einen Augenblick lang fühlte er sich besser, ganz wie früher in seiner Kindheit. Damals hatte er sich in Fernandos Gegenwart stets beschützt gefühlt, denn dieser konnte jeden, der sich in böser Absicht näherte, mit einem einzigen Fausthieb niederstrecken. Meist aber hatte er seine Feinde mit seinem Blick entwaffnet, in dem stets heitere Gelassenheit lag, und sie hatte auch dafür gesorgt, dass sich seine Freunde jederzeit sicher fühlten.
»Fernando, wie wunderbar! Seit wann bist du hier?«
»Wir sind vor knapp einer Stunde im Lager eingetroffen.«
»Ihr?«
»Ja, außer mir fünf weitere Ritter. Durand de Belcaire, der Bischof von Albi, hat unseren Großmeister um Hilfe gebeten, weil sich unser Bruder Arthur Bonnard auf Belagerungsmaschinen versteht, genau wie dieser.«
»Schon seit Tagen treffen hier Verstärkungen ein, die der Bischof dem Seneschall, Hugues des Arcis, schickt, doch wusste ich nicht, dass er auch den Templerorden um Unterstützung gebeten hat. Er ist ein Gottesmann, der Gefallen am Krieg hat und über die Gabe verfügt, allerlei Gerät und Einrichtungen zur Vernichtung des Feindes zu ersinnen.«
»Ich will hoffen, dass er darüber hinaus noch andere Gaben besitzt …«, gab Fernando mit einem Lächeln zurück.
»Gewiss! Seine Ansprachen an die Krieger sind beinahe noch feuriger als die des Seneschalls.«
»Nun, das kann bei einem Bischof nichts schaden«, sagte Fernando in scherzendem Ton.
»Sag mir doch, wollt ihr Tempelherren etwa den Guten Christen ein Ende bereiten? Ich habe Gerüchte gehört, es sei euch nicht recht, gegen Glaubensgenossen zu kämpfen.«
Fernando zögerte mit der Antwort. Nach einer Weile stieß er einen Seufzer aus und sagte mit leiser Stimme: »Gib nichts auf diese Gerüchte.«
»Das ist keine Antwort. Vertraust du mir nicht?«
»Gewiss doch! Immerhin bist du mein Bruder! Gut, ich will dir eine Antwort geben: Wir Christen haben Feinde, die zu mächtig sind, als dass wir unsere eigenen Reihen damit schwächen dürften, indem wir gegeneinander kämpfen. Wem schaden die Guten Christen? Sie leben wie die Apostel und haben sich der Armut verschrieben.«
»Aber sie wollen nichts vom Kruzifix wissen! Sie wenden sich von unserem Herrn und Heiland ab.«
»Das Kreuz ist ihnen als Symbol zuwider, weil man Ihn daran geschlagen hat. Aber ich bin kein Gottesgelehrter, sondern nur ein einfacher Krieger.«
»Und Mönch.«
»Ich erfülle mein vor Gottes Angesicht abgelegtes Gelübde, wie es mir die heilige Mutter Kirche gebietet. Das aber bedeutet nicht, dass ich mir keine Gedanken machen darf. Gegen andere Christen zu kämpfen widerstrebt mir.«
»Wie überhaupt den Angehörigen deines Ordens.«
»Wäre es dir lieber, mit ansehen zu müssen, wie Frauen und Kinder auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden?«
Fernandos Frage rief in Bruder Julián Übelkeit hervor. »Gott möge sie in seinem Schoß bewahren!«, rief er aus und bekreuzigte sich.
»Die Kirche sagt, dass die Hölle auf sie wartet«, versicherte Fernando in spöttischem Ton. »Wir sollten uns mit diesen Dingen
nicht belasten, sondern alles nehmen, wie es ist. Weder dir noch mir gefällt es, wenn Unschuldige den Tod finden. Was den Templerorden betrifft … wir sind gehorsame Söhne der Kirche. Da sie uns gerufen hat, sind wir gekommen. Was wir tun werden, ist eine andere Sache.«
»Der Herr sei gepriesen! Noch habt ihr euch also zu nichts verpflichtet …«
»So in etwa.«
»Sei vorsichtig, Fernando. Hier im Lager befindet sich der Inquisitor Bruder Ferrer, der Irrglauben sogar im Schweigen aufspürt.«
»Ach ja? Ich muss gestehen, dass ich über ihn beunruhigende Dinge gehört habe. Was tut er hier?«
»Er steht den im Lager anwesenden Männern unseres Ordens vor und hat geschworen, dafür zu sorgen, dass jeder von denen, die unsere Brüder auf dem Gewissen haben, auf dem Scheiterhaufen enden soll.«
»Sprichst du von den in Avignonet ermordeten Dominikanern ?«
»Ja. Man hat dort nach Irrgläubigen gesucht. Acht Schreiber sind dabei in einen Hinterhalt geraten. Raimundo de Alfaro, der Haushofmeister des Grafen von Toulouse in Avignonet,
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