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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Stimmung konnte jedoch plötzlich umschlagen. Das waren die Momente, in denen sie mit großer Unruhe an Victoria dachte. Es kam aber ein Brief Vickys an Direktor Lazy Eye. Alexander gab der Klasse den Inhalt bekannt. Victoria hatte Hafterleichterung erhalten und durfte sich mit ihren literarischen Arbeiten beschäftigen. Das hatte Lazy Eye für sie erreicht, nachdem der Gefängnisdirektor die tadellose Führung der kleinen Hopi hatte bestätigen können. Queenie atmete auf.
    Für Joe King hätte es keine Hafterleichterung gegeben. Worin lag eigentlich der Unterschied? Konnte man ihn mit einem Wort ausdrücken?
    Joe war ein Aufrührer. Er war es immer gewesen und war es geblieben.
    War Edward das auch? Queenie konnte sich darüber nicht klarwerden.
    An einem Klubabend stellte sie ihn geradezu mit dieser Frage. Er lächelte, als ob er sagen wollte: Kleine Frau, was du für Sorgen hast! Sie fühlte sich unterbewertet und schürzte die Lippen. Er entschloß sich zu antworten.
    »Aufrührer? Nein - ja - nein - doch - nein. Eine Art Gewerkschafter. Langweilig. Das bin ich.«
    »Langweilig erscheinen, obgleich man es nicht ist - auch eine Kunst, Edward.«
    »Die du nie lernen wirst, Queenie.«
    Edward holte sich einen Atlas und war nicht weiter zu sprechen.
    Es kam aber eines Abends dazu, daß sie beide allein in der Bibliothek nach einem Buch suchten. Edward betrachtete Queenie lange und eindringlich, während sie einen Band nach dem anderen in die Hand nahm. Sie spürte es, schaute aber nicht auf. Schließlich sprach er sie an.
    »Warum läufst du hinter mir her?«
    Queenie fühlte sich getroffen; sie wehrte sich gegen Edward und gegen sich selbst.
    »Eitel und eingebildet bist du wie alle Männer.«
    »Alle?«
    »Einer hat es nicht nötig.«
    »Aha. Aber dieser eine bin nicht ich.«
    »Nein.«
    »Gut. - Was suchst du eigentlich in unserer Klasse?«
    »Den Bios und die Wissenschaft davon. Ist es nicht wunderbar, wie das All zur Form gekommen ist?«
    »Um das zu begreifen, brauchst du also Biologie, zwölfte Klasse. Scheint mir auch wunderbar.«
    »Störe ich euch?«
    »Du kannst mich doch nicht stören. Du bildest dir das auch nicht ein, denn so eitel wie die meisten Frauen bist du gar nicht. Du brauchst dir selbst nicht zu schmeicheln, da Walt, Conny, Clark und Alexander das zur Genüge tun. Also rede dir auch nicht ein, daß du mich stören kannst.«
    »Warum gehst du mir dann aus dem Wege, Edward?«
    »Tue ich das?«
    »Ja.«
    »Stört dich das?« »Ja.«
    »Warum?«
    »Weil wir philosophieren wollten - über Kunst, Indianer, Clark und Edward und so weiter.«
    »Der Wein ist verschüttet, du weißt es, Queenie. Darf ich dich umarmen?«
    »Rede kein dummes Zeug.«
    »Ich habe dich etwas gefragt.«
    »Ich verstehe deine Frage aber nicht, Edward.«
    »Und ich bin kein Spielzeug.«
    »Auch nicht ganz schlicht und einfach ein guter Kamerad?«
    »Das könnte ich für Phyllis sein, aber nicht für dich, Queenie. Gute Nacht.«
    Edward verließ den Raum und schloß die Tür leise, aber fest hinter sich, so wie es auch Joe zu tun pflegte und beim letzten Abschied getan hatte.
    Queenie saß vor dem aufgeschlagenen Buch, ohne zu lesen. Als die Bibliothek geschlossen wurde, eilte sie auf ihr Zimmer.
    Am nächsten Tag wollte sie dem Unterricht fernbleiben, doch erschien ihr ein solcher Entschluß wiederum kindisch, und sie ging wie stets in den letzten Wochen zu einigen Stunden des theoretischen Unterrichts. Sie unterhielt sich und lachte mit anderen, las und diskutierte und war doch nicht dabei.
    Der Frühling brach früh herein, plötzlich und prächtig. Vicky kehrte aus dem Gefängnis zurück. Sie war aufgeschwemmt, blaß, still und nicht verbunden mit der lebendigen Jahreszeit.
    Direktor Lazy Eye hatte durchgesetzt, daß sie weiterlernen durfte. Alle Mitschüler zeigten sich freundlich zu ihr. Queenie und Phyllis halfen ihr in der Freizeit, das versäumte Pensum nachzuholen. Victoria vergalt es ihnen mit scheinbar heiterer Laune und unauffälliger Dankbarkeit. Die drei kamen einander näher, ohne sich dessen ausdrücklich bewußt zu sein. Mit Victoria zusammen war Phyllis weich, Queenie aufgeschlossen. Eines Abends, als Queenie allein auf ihrem Zimmer war, kam Vicky zu ihr herein.
    »Ich habe alles gehört, Queenie, was du tun wolltest, und ich danke dir. Aber es war auch richtig, wie ihr es nun zu halten beschlossen hattet. Ich wußte, daß ihr schweigen würdet, und ihr wußtet es von mir. Es hat mich sicher gemacht unter den

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