Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
Menschen. Queenie vollendete das Bild. Chemie der Zerstörung.
Kurz vor Weihnachten ging eine Kommission prüfend durch die Ateliers. Die beiden Bilder, die Queenie geschaffen hatte, gehörten zu denjenigen, die angekauft wurden.
Queenie erhielt Geld. Sie schickte es heim, zum erstenmal an die Adresse ihres Mannes: Joe King.
Es war ihr aber übel zumute. Victoria war ins Gefängnis gegangen, und Queenie verdiente.
Am 23. Dezember langte ein Päckchen für Queenie an. Untschida hatte es gepackt, Wakiya die Adresse geschrieben. Es enthielt eine Dose mit Honig von den eigenen Bienen, einen neuen Stirnreif aus Leder, mit Stachelschweinsborsten bestickt, und eine Karte von Wakiya.
»Wir sind sehr froh gewesen über das Geld.«
Für etwas anderes als dafür, Geld zu schicken, war eine malende Rancherin ja auch nicht zu gebrauchen.
Queenie übte wieder Porträtstudien. Sie hatte sich den alten Red Sleeves doch noch einmal als Modell geholt. Es war ihr, als ob sie nun um ein weniges mehr von diesem Gesicht verstehe. Aber es war noch immer nicht viel, was sie begreifen konnte. James Clark traf sie eines Morgens im Atelier, als sie allein war. Er schaute nach seiner Gewohnheit einige Zeit stumm zu; als sie den Pinsel absetzte, sprach er sie an.
»Erinnern Sie sich noch an unsere erste Diskussion, Missis King?«
»Ja.«
»Sie haben es unterdessen vermocht, mich wieder für die Form zu interessieren.«
»Und Sie, mein Lehrer, sowie einige Erscheinungen des Lebens haben mich auf das Chaos hingelenkt.«
»Weiß ich. Auf das verkaufte Chaos. Sie haben es gewagt, meine Idee in ihr Gegenteil zu verkehren. Nicht Licht aus dem Dunkel, sondern Dunkel aus dem Licht! Dazu Clarksche Technik. Große Linienführung, prächtige Farben.«
»Ich bestreite nicht, daß es sich alles so verhält, wie Sie sagen. Ich bin Schülerin geblieben.«
»Schülerin geworden! Meine Schülerin geworden, das ist Ihr Fortschritt und mein Gewinn. Keine gewöhnliche Schülerin. Sie haben die Schöpfungsgeschichte auf den Kopf gestellt.«
»Der Mensch hat die Schöpfung verkehrt, Mister Clark, nicht ich. Ich habe nur gemalt.«
»Auch Sie sind ein Mensch, Missis King, aber Sie wagen zu sehen, was ich nicht zu sehen gewagt habe. Ich gebe zu, daß die Chemie nichts ist ohne den Bios - selbst wenn er nicht im Bild erscheint. Ihre Umkehrung war genial, Ei des Columbus. Sie haben eine Wahrheit entdeckt!«
»Eine. Nicht die volle.«
»Das Werden der Finsternis... Das Gemälde hat tatsächlich viel Geld gebracht.«
»Dafür werde ich es wohl auch gemalt haben.«
»Sagten Sie schon einmal. Nun sind Sie wieder bei Porträts, Höchstform aller Formen, Mensch und Teufel in diesem alten Red Sleeves. Sie springen bewundernswert. Sie haben Radius. Jedenfalls -das eine Jahr hier ist für Sie zuwenig. Sie müssen konzentriert weiterarbeiten. Das brauchen Sie. Ich gestehe Ihnen, daß auch ich selbst die Entwicklung Ihres Talents brauche.«
Queenie schaute zu Boden. »Wieso?«
»Sie können Partnerin werden, Gegenspieler! Ich muß das haben. Sie bergen noch Ursprung in sich, Technik bleibt Ihnen Mittel. Ich hungre nach den Ursprüngen.«
Clark hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt. Vielfache Erfahrungen trieben ihr Spiel um seine Lippen und Mundwinkel.
»Die Ursprünge spürt aber kein anderer für Sie auf, Mister Clark. Das müssen Sie schon selber tun.«
»Aber ich finde sie bei Ihnen - Sie sind Indianerin. Urbewohner. im eigentlichen Sinne. Erdmensch. Ich kann davon nicht los. Ich darf davon nicht los. Sie werden weiter Stipendien erhalten. Ich verwende mich dafür. Sie sind der Katalysator, der die chemischen Prozesse meines Gehirns fördern kann.«
»Und wenn ich nein sage? Ich sage nein.«
»Verraten Sie nicht Ihr Talent. Sie würden es bereuen. Verraten Sie auch mich nicht - lassen Sie mich nicht im Stich!«
In der Nacht nach diesem Gespräch stellte Queenie in Gedanken ihr Spiegelbild vor sich hin und sprach damit wie mit einer Fremden.
Zu nichts zu gebrauchen, als Geld zu schicken...
Zu nichts anderem. Kleines Mädchen, hübsche junge Frau, Mutter von gesunden Zwillingen - eifersüchtig. Spielt die Naive - nicht zum Aushalten. Malt Finsternis und fallende Blätter, bereut, einen Blumenstrauß auf das Grab eines Lügners gelegt zu haben, und geht straflos aus, wenn sie des Nachts bei Red Sleeves roten Wein trinkt. Red Sleeves spricht von Senor King, und Queenie erschrickt. James Clark macht mit glatten Worten ein großes Angebot. Einmal
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