Das Blut Des Daemons
ich gehofft hatte, aber er schluckte zumindest weiter von selbst, was in seinen Mund rann. Also sorgte ich dafür, dass das Blut weiterfloss – und Julien schluckte.
Mir war selbst ein wenig schwindlig, als ich schließlich meinen Arm von seinem Mund nahm. Der Hunger rumorte in mir. Die Bestie in meinem Inneren grub schon seit einigen Minuten erneut ihre Krallen in meine Eingeweide. Ein seltsames Zittern, wie Schüttelfrost, saß in meinen Gliedern. Meine Adern schmerzten. Zu allem Überfluss hatte die Wunde an Juliens Hals wieder stärker zu bluten begonnen. Wenn ich sie nicht schloss, würde er – trotz all meiner Bemühungen – dennoch sterben, einfach verbluten. Es gab eine simple Methode – hoffte ich –, doch das würde bedeuten, dass ich mit meinem Mund noch einmal sehr, sehr nah an seinen Hals musste: um sie zu lecken. Wenn es bei mir genauso funktionierte wie bei ihm, würde sie zu bluten aufhören und sich schließen. Auf eben diese Weise hatte er mir damals auf der Auffahrt meines alten Zuhauses das Leben gerettet. Ich hatte nicht sterben wollen, hatte ihn angefleht – und jetzt konnte ich nachvollziehen, was es ihn gekostet haben musste, es zu tun. Denn allein bei dem Gedanken an sein Blut, so dicht an meinem Mund, erwachte die Gier in mir noch stärker. Aber wenn ich es nicht tat … die Wunde würde sicher nicht von selbst aufhören zu bluten und sich schließen.
Letztlich blieb mir nur eines, was ich tun konnte: Mir selbst noch einmal die Zähne in mein Handgelenk schlagen und mein eigenes Blut trinken in der Hoffnung, dass Julien dann vor mir sicher war. – Es kam mir vor wie ein Wunder, doch der Hunger und der Schmerz in meinen Adern ließen nach und auch die Bestie gab Ruhe. Zumindest für den Augenblick. Nur das Zittern blieb. Und dennoch starrte ich noch eine weitere geschlagene Minute auf das Lochin Juliens Hals, ehe ich mich selbst weit genug im Griff zu haben glaubte, um das, was von meinem Hunger übrig war, tatsächlich beherrschen zu können.
Ganz zart fuhr ich mit der Zunge über die Wunde. Julien rührte sich nicht. Die Süße seines Blutes wurde fast gänzlich von jenem sauren Geschmack überdeckt, den ich die ganze Zeit im Mund gehabt hatte. Und trotzdem erwachte wieder jener Schmerz in meinem Kiefer. Ich zwang mich dazu, ihn zu ignorieren – zumindest versuchte ich es. Beinah ohne Erfolg. Umso erleichterter war ich, als das Loch schon nach zwei weiteren Strichen mit meiner Zunge zu bluten aufhörte und sich zu schließen begann. Hastig richtete ich mich auf, wich sogar ein kleines Stück zurück, bis Gier und Hunger wieder nachgelassen hatten. Dann erst wagte ich mich an Juliens Seite zurück und zog ihn behutsam in meine Arme.
In der nächsten halben Stunde versuchte ich immer wieder Julien von meinem Blut zu geben. Manchmal trank er nach ein paar Sekunden von selbst, manchmal musste ich es ihm einflößen und sacht seine Kehle massieren, damit er schluckte. Jedes Mal kehrte der saure Geschmack zurück. Die ganze Zeit flehte ich ihn an, bei mir zu bleiben, zu leben. – Und dann begann er sich in Krämpfen zu winden. Von einer Sekunde zur anderen waren seine Muskeln bis zum Zerreißen gespannt; in einem Moment bog sein Körper sich durch, dass sein Rücken sich vom Boden wölbte, im nächsten lag er auf der Seite und krümmte sich zusammen, zog die Beine an, stieß sie wieder von sich und krallte dabei immer wieder nach seinem Bauch, seiner Brust und seiner Kehle; im nächsten lag er ebenso reglos und schlaff wie zuvor – und die ganze Zeit quälte ihn ein mörderisches Zittern.
Im ersten Augenblick war ich zu erschrocken, um zu reagieren, doch dann versuchte ich ihn festzuhalten, zu verhindern, dass er sich selbst verletzte. Es gelang mir kaum. Alsder erste Anfall vorbei war, zerrte ich die Decke vom Bett und breitete sie über ihn. Er trug immer noch seine durchweichten Jeans. Doch ehe ich auch nur versuchen konnte, sie ihm auszuziehen, schüttelten ihn die nächsten Krämpfe. Ich konnte nichts anderes tun, als ihn im Arm zu halten.
Für die nächste Zeit saß ich auf dem Boden vor meinem Schreibtisch, Juliens Kopf in meinem Schoß, streichelte seine Stirn und zog ihn fester an mich, wenn ein neuer Anfall ihn quälte – während mich zugleich selbst immer wieder ein brennender Schmerz in meinem Inneren wie eine Welle überrollte und mich hilflos stöhnend vornüberkrümmen ließ. Ich wagte es noch nicht einmal, ihn gerade so lange allein zu lassen, um einen kalten
Weitere Kostenlose Bücher