Das Blut Des Daemons
schlug mir die Zähne ins Handgelenk, ignorierte den sauren Geschmack, der plötzlich in meinem Mund war. Der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen. Träge quoll Blut aus den Bisslöchern. Bisher hatte sein Blut mich am Leben gehalten. Dann musste meines das Gleiche bei ihm bewirken. Oder? ODER? Ich presste die Wunde an seinen Mund. Seine Lippen lagen schlaff und kalt an meiner Haut.
»Trink doch! Bitte, trink doch!«, flehte ich hilflos. Nichts. War der schwache Hauch, den ich zu spüren glaubte, unendlich langsame und unendlich flache Atemzüge? Ich drückte meinen Arm fester auf seinen Mund. Bewegte ihn ein wenighin und her. Keine Reaktion. Ich wusste noch nicht einmal, ob auch nur ein kleines bisschen von meinem Blut hineingelangt war. Vielleicht, wenn ich die Löcher in meiner Haut ein Stück größer riss? Ich zog meinen Arm zurück, hob ihn – und starrte darauf. Die Male hatten sich beinah schon wieder gänzlich geschlossen. Bei Julien war das nie so schnell gegangen. Im Gegenteil. Er hatte sie genauso lecken müssen wie jede andere Wunde auch, damit sie zu bluten aufhörten und sich schlossen. Wie sollte ich so überhaupt etwas in Juliens Mund bekommen – geschweige denn genug, damit er bei mir blieb? Nein! Es musste eine Möglichkeit geben. Er musste bei mir bleiben. Er musste leben. Irgendwie! Bitte, lieber Gott, hilf mir!
Abermals schlug ich mir die Zähne in mein Handgelenk. Tiefer als zuvor, riss die Wunde weit auf. Mein Blut sprudelte mir in den Mund, weicher als Juliens, weniger süß und selbst das wurde von dem saurem Geschmack beinah ganz überdeckt. Ich blinzelte die Tränen weg. Der Gedanke war plötzlich da. Für eine Sekunde zögerte ich, doch dann beugte ich mich über Julien, drückte meine Lippen auf seine und ließ das Blut zwischen ihnen hindurch von meinem Mund in seinen laufen. Wieder und wieder. Wann immer sich die Wunde an meinem Arm schloss, schlug ich erneut die Zähne hinein und riss sie wieder weiter auf. Der saure Geschmack in meinen Mund wurde mit jedem Mal stärker. Ich spürte den Schmerz kaum noch. In meinem Kopf gab es nur noch einen Gedanken: Lebe! Bleib bei mir! Ich wiederholte es wie ein Mantra, ertappte mich dabei, wie ich die Worte vor mich hin flüsterte, wenn mein Mund gerade leer war und ich ängstlich darauf wartete, dass Julien schluckte. Er tat es nicht. Ein paar rote Tropfen quollen aus seinem Mundwinkel. Ich fing sie mit den Fingern auf und strich sie zwischen seine Lippen zurück.
»Bitte! Bleib bei mir. Du musst leben! Bleib bei mir.«
Irgendwo hatte ich einmal gehört, dass man den Schluckreflex auslösen konnte, wenn man der betreffenden Person vorsichtig die Kehle rieb. Ich tat es, behutsam, ohne sicher zu sein, ob ich es richtig machte … – Die Bewegung war ein kaum wahrnehmbares Zucken unter meinen Fingerspitzen. Ich konnte das erleichterte Schluchzen nicht zurückhalten. Hastig schlug ich mir die Zähne erneut ins Handgelenk, füllte meinen Mund mit Blut, beugte mich wieder über Julien und fütterte ihn erneut damit. Wie zuvor schluckte er erst, als ich ihm behutsam die Kehle rieb. Drei, vier Mal wiederholte ich die Prozedur noch; beim fünften Mal fuhr ein Schaudern durch Juliens Körper. Er gab einen schwachen Laut von sich, halb Japsen, halb Würgen, ehe er einen zittrigen Atemzug tat und hart zu husten begann. Das Blut, das ich ihm eben eingegeben hatte, spritzte aus seinem Mund, wie bei jemandem, der etwas in die falsche Kehle bekommen hatte. Erschrocken drehte ich ihn auf die Seite – sein Körper war noch immer vollkommen schlaff – und sah ängstlich zu, wie er auch noch den letzten Rest davon auswürgte, bevor es vorbei war. Danach lag er wieder ebenso leblos da wie zuvor; nur seine Brust hob und senkte sich jetzt unter deutlich sichtbaren Atemzügen – auch wenn sie noch immer langsam und schwach waren. Ich hätte weinen können vor Erleichterung. Stattdessen biss ich mir abermals in mein Handgelenk, füllte meinen Mund mit Blut und flößte es Julien ein – und diesmal glaubte ich zu spüren, wie seine Lippen sich ganz leicht unter meinen ein winziges Stück öffneten und er ohne meine Hilfe schluckte. Als er es beim nächsten Mal auch noch tat, riss ich mir das Handgelenk noch einmal tief auf und legte es an seinen Mund. Ein paar endlose Sekunden geschah gar nichts, doch dann bewegten Juliens Lippen sich auf meiner Haut. Entsetzlich schwach nur, noch immer kaum merklichund offenbar mehr aus Reflex. Er biss mich nicht, wie
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