Das Blut Des Daemons
mehreren Etappen etwas umständlich vom Boden hoch und schaffte es schließlich, ihn aufrecht zu halten, mich unter seine Achsel zu stemmen und mir seinen Arm um die Schulter zu legen und obendrein auch noch die Bettdecke über ihn – und damit auch über mich – zu hängen. Selbst jetzt war er in seinem Zustand für mich noch schwer wie Blei.
Sah man davon ab, dass ich Julien eigentlich mehr wie einen aufgerollten Teppich neben mir herzerrte, schafften wir es erstaunlich gut bis zur Treppe. Auch die ersten Stufen bewältigten wir noch halbwegs senkrecht, doch dass er mitten auf der oberen Hälfte einen weiteren seiner Anfälle hatte, ließ uns die übrigen schneller hinter uns bringen als beabsichtigt. Wie ein paar Stunden zuvor bei mir bremste die gegenüberliegende Wand des Treppenabsatzes unser Taumeln und ich landete gemeinsam mit Julien unsanft auf den Knien.
Außer Atem – und mit einer Schmerzwelle meinerseits – wartete ich, bis der Krampf Julien aus seinen Krallen entließ und nur noch das Zittern blieb, ehe ich uns an der Wand entlang erneut in die Höhe stemmte und die übrigen Treppen hinuntersteuerte. Auf den letzten beiden Stufen wären wir um ein Haar über Juliens achtlos hingeworfene Jacke gefallen.
In der Halle unten erwartete uns dämmriges Morgenlicht, das mich beinah hätte zurückzucken lassen. Aber nachdem ich es mit Julien zusammen niemals wieder die Treppe hinauf geschafft hätte, gab es für uns nur einen Weg: durch die Küche, in den Vorratsraum und von dort noch einmal eine Treppe hinunter zu dem verborgenen Kellerraum. Die Zähne zusammengebissen schleppte ich Julien weiter.
Auch durch das Küchenfenster drang inzwischen die Morgensonne. Es würde ein wunderschöner Spätherbsttag werden. Was hab ich getan?
Wir schafften auch die zweite Treppe vom Vorratsraum in den Keller – irgendwie – und weiter in den kleinen Raum an ihrem Ende, wo ich Julien auf die alte Matratze rollen ließ und kraftlos neben ihm auf die Knie sank. Die Beinah-Dunkelheit hier unten war eine Gnade. Neben dem Kopfende lagen meine Schals achtlos zusammengeknäuelt. An der Wand dahinter war an einigen Stellen der Putz abgeplatzt. Julien hatte wieder begonnen sich unruhig hin und her zu wälzen.Ich breitete die Decke über ihn und versuchte es ihm so bequem wie möglich zu machen. Doch ich war nicht wirklich erfolgreich. Mit einem Gefühl der Benommenheit kauerte ich neben ihm und sah ihm dabei zu, wie er die Beine anzog und wieder von sich stieß; wie seine Hände rastlos über die Decke strichen, nur um sich gleich darauf in seinen Leib zu pressen. Und jetzt, hier unten, in relativer Sicherheit vor dem Sonnenlicht, kroch das Entsetzen eisig meinen Nacken hinauf. Was hatte ich getan? Großer Gott, ich hatte Julien zu einem Vampir gemacht. Einem Vampir ! Wie hatte ich ihm das antun können? – Dass ich nicht wusste wann, geschweige denn wie, spielte keine Rolle. Es war meine Schuld. Irgendwie. Eine andere Erklärung gab es nicht. Warum sonst sollte das Sonnenlicht plötzlich seine Haut verbrennen, wenn es ihm zuvor nie etwas ausgemacht hatte? Hilflos schlang ich die Arme um mich selbst. Was hab ich getan? Ich mochte nun vielleicht leben, aber ich hatte Juliens Leben zerstört. Möglicherweise endgültig. Was hab ich getan? Aber vielleicht war es ja noch nicht zu spät? Vielleicht konnte man es ja … aufhalten … wieder rückgängig machen? Plötzlich zitterten meine Hände. Es gab nur einen, den ich fragen konnte, ohne Julien noch mehr in Schwierigkeiten – oder am Ende in Gefahr – zu bringen: Adrien!
Ohne nachzudenken, griff ich in die Tasche meines Bademantels. Mein Handy war nicht da. – Aber … ich hatte es nach dem Bad in die Tasche gesteckt! Ich war mir absolut sicher … Nein! Ich hatte danach noch Julien angerufen … es war mir aus der Hand gerutscht … oben in meinem Zimmer … – oben in meinem Zimmer, in das gerade die Sonne schien. Wohin genau es gefallen war, wusste ich nicht. Neben mir krümmte Julien sich unvermittelt in einem weiteren Krampf und wälzte sich stöhnend auf die Seite. Hastig beugte ich mich über ihn, versuchte ihm zu sagen, dass ich da war. Erreagierte nicht. Selbst als ich ihm sacht über die Stirn strich. Sie war schweißnass und eiskalt. Das Zittern war wieder schlimmer geworden. Was hab ich getan?
Erst als der Anfall vorbei war und Julien erneut wie leblos auf der Matratze lag, setzte ich mich wieder ein wenig zurück. Auch wenn es mir nicht gefiel: Ich musste
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