Das Blut des Mondes (German Edition)
glatten Oberfläche und nichts deutete darauf hin, dass noch vor ein paar Stunden ein wütender Sturm über Eastport hinweg gefegt war.
Da der Kinobesuch am Abend zuvor für Ann und Levian ins Wasser gefallen war, hatten sie sich für den Sonntagvormittag verabredet, um endlich ein paar Stunden Zweisamkeit zu genießen.
Nachdem Levian sein Geheimnis preisgegeben hatte, war allen die Lust auf weitere Gespräche vergangen. Ann musste erst einmal sacken lassen, dass sie sich in einen Unsterblichen verliebt hatte und Cat und Ric verdauten den Schock, den ihnen der Anblick von Levians Messerdemonstration versetzt hatte.
Auch Jayden hatte sich wieder beruhigt. Er wollte einfach nur allein sein und nachdenken, sagte er am Telefon, als Cat ihn endlich erreicht hatte. Ja, das konnten alle verstehen. Für alle war es eine ereignisreiche Nacht gewesen. Umso schöner war nun der Sonntagmorgen.
Levian hatte als Ziel für ihren Ausflug den Quoddy Head State Park ins Auge gefasst, an dessen Küste sich der östlichste Punkt des Staates befand. Er hatte diesen Ort in der Vergangenheit bereits oft besucht und war überzeugt davon, dass ihn etwas Magisches umgab, das ihn immer wieder dorthin zog.
Welcher Art diese Magie war, konnte er sich nicht erklären, doch tief in seinem Inneren zerkratzten die Klauen dieser Überzeugung seine Eingeweide und verlangten lautstark, hinausgelassen zu werden. Er musste ihnen nachgeben. Und genau deshalb nahm er Ann mit zu diesem Ort. Er wollte sehen, ob sie diese Magie ebenfalls spürte.
Auch wenn Ann weder einen Ring trug noch einen Fluch ihr Eigen nennen durfte, so beschlich ihn doch das Gefühl, dass sie sich ebenfalls nicht ohne Grund getroffen hatten. Auf irgendeine Art und Weise passte auch Ann in das Puzzle. Jetzt galt es nur noch herauszufinden, wie.
Levian fuhr gemächlich aus Eastport raus, Richtung Pleasant Point und dann entlang der Küste Richtung Lubec, bevor er abbog und dem Weg zum Quoddy Head State Park folgte. Nach knapp einer Stunde Autofahrt hatten sie ihr Ziel erreicht.
Nun wanderten sie Hand in Hand den Strand entlang, warfen sich verliebte Blicke zu und Beiden war anzusehen, wie glücklich sie waren.
„Es ist wunderschön hier“, brach Ann das friedliche Schweigen zwischen ihnen. Levian nickte. „Warst du schon öfter hier?“
„Ich war schon sehr oft hier“, antwortete er und wandte den Blick in Richtung Meer.
Das Wetter spielte mit, es schien, als bäumte sich der Sommer ein letztes Mal auf, um nicht sang-und klanglos dem Herbst zu weichen. Die Temperaturen waren am Morgen ziemlich schnell nach oben geklettert und nun schien die Sonne so mächtig auf die kleine Bucht herunter, dass beide ihre Schuhe in der jeweils freien Hand hielten und barfuß durch den weichen Sand liefen. „Die Weite beruhigt meine Nerven.“
„Ja, das glaube ich. Hier kann man so richtig abschalten und die Seele baumeln lassen.“ Unvermittelt zuckte sie zusammen. „Entschuldige“, stammelte sie.
„Was? Warum?“ Verständnislos sah er sie an.
„Na ja, ich …“
„Was?“ Er sah, wie ihre Wangen erröteten und ihre Augen Unsicherheit wieder spiegelten.
„Na ja, … ‚ Seele baumeln lassen‘ … das ist vielleicht nicht so passend in Anbetracht der Tatsache, dass du …“ Sie brach verschämt ab.
„Unsterblich bist?“, beendet er den Satz trocken. Kam sie vielleicht doch nicht so gut damit zurecht, wie sie behauptet hatte? Es waren einige Stunden seit seinem ‚Outing‘ vergangen. Stunden, in denen Ann mit Sicherheit darüber nachgedacht hatte, was er war, wer er war und vor allem wie es war, mit ihm zusammen zu sein. Er konnte es ihr nicht verübeln. Gefühle hin oder her – er war, was er war: Unsterblich.
Ann antwortete nicht. Ihren Kopf gesenkt, so dass ihr die langen Haare ins Gesicht fielen und ihn nicht sehen ließen, was in ihr vorging, stand sie neben ihm. Die Schuhe in der einen Hand, die andere klein und kalt in seiner versteckt. Levian ließ seine Schuhe in den Sand fallen, legte seine Hand behutsam unter ihr Kinn und zog es sanft nach oben, bis sie ihn ansehen musste.
„Prinzessin“, sprach er leise. „Ich bin unsterblich, ja. Aber ich bin nicht seelenlos. Ich bin was ich bin, und ich kann es nicht ändern. Und genau das ist es, was mich so traurig macht. Vorher war es mir egal! Ich bin damit klar gekommen. Tag aus, Tag ein, immer wieder. Doch jetzt … jetzt bist du da. Und nun ist es mir nicht mehr egal!“ Ann schluckte, aber schwieg. Und so
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