Das Blut des Mondes (German Edition)
Dunkelheit
Den Bann, für immer jung zu sein
Durchbricht ein heller Lichterschein
Wenn das Feuer ist entfacht
Der Mond dann über Sterne wacht
Gib weiter nun das einsame Herz
Und fühle den Bruch mit vollem Schmerz
Denn einzig allein Rot mit Rot
Kann bringen den ersehnten Tod.
Ann blinzelte und las noch einmal die Zeilen, die in alter Schrift in dem mit Leder eingebundenen Buch vor ihren Augen prangten.
„Was …“ Sie konnte sich keinen Reim auf diese Zeilen machen, aber ein Gefühl der Aufregung erfasste sie. Irgendetwas hatten diese Worte in ihr berührt. Was war es? War es nur ein Gedicht? War es ein Spruch? Ein Auszug aus einem Theaterstück? Oder wohlmöglich ein Bannzauber? Ann drehte sich um.
„Levian“, rief sie. „Was ist das?“ Sie hielt das Buch in die Höhe, ohne die Seite umzuschlagen. Gespannt sah sie ihn an.
„Ach das. Keine Ahnung. Ich glaube, das hat Larmant hier vergessen. Nachdem er bei mir war fand ich es auf meinem Schreibtisch. Es ist zwar ganz hübsch in dem alten Leder eingebunden, aber enthält nur leere Seiten. Vielleicht sein Notizbuch ohne Notizen“, flachste er. „Was ist? Kommst du jetzt oder hast du es dir mit der Schule anders überlegt.“ Er trat auf sie zu und umarmte sie von hinten. Ann versteifte sich.
Leere Seiten ? dachte sie. „Hast du Tomaten auf den Augen? Die Seiten sind nicht leer. Hier steht sogar eine ganze Menge drin.“ Sie legte einen Finger als Lesezeichen in die aufgeschlagene Seite und blätterte mit der anderen Hand in dem Buch, um ihm zu zeigen, wie vollgeschrieben die Seiten waren. „Hier. Und hier. Und hier. Alles voll. Wie kannst du sagen, da steht nichts drin.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du willst wohl nicht, dass ich das lese, was? Deswegen sagst du das. Ja, schon klar“, witzelte sie. Sie merkte, wie Levians Körper sich hinter ihrem anspannte. „Was ist los?“, fragte sie, als er nicht auf ihre Stichelei einging.
„Ann? Ich sehe da nichts. Tut mir leid. Aber für mich sind das alles leere Seiten.“
***
Cat wartete angstvoll darauf, dass Dionne ausflippen würde, dass das dunkle Böse wieder in ihre Augen trat, dass sich ihr Gesicht zu einer einzigen wütenden Maske verzerren würde und Ric innerhalb von Sekunden wieder wie ein räudiger Köter an ihrer Seite saß. Aber das passierte nicht.
„Hey Jayden. Hey Dionne.“ Cat machte den Anfang.
Dionne stand immer noch wie eingesunken an der gleichen Stelle, doch sie hatte zumindest den Schneid, den Kopf zu heben und ihr in die Augen zu sehen. Und Cat erwiderte den Blick. Sie sah ein stummes Flehen darin. Eine Bitte nach Vergebung, einen Willen zur Wiedergutmachung. Eine Hoffnung auf … Frieden.
„Ich habe großen Mist gebaut!“, sagte sie ohne Vorwarnung.
„Ach, das nenn ich ja mal eine weise Erkenntnis“, murmelte Cat und schnaubte abfällig.
„Ich -“, setzte Dionne an, aber weiter kam sie nicht. Cat fuhr ihr über den Mund.
„Das ist ja wohl das Letzte. Ganz ehrlich. Sag mal, weißt du eigentlich, was du getan hast? Weißt du eigentlich, wen du alles verletzt und gegeneinander ausgespielt hast? Weißt du eigentlich überhaupt noch, was Freundschaft ist?“ Cats Stimme war gefährlich ruhig. Die Entscheidung, was sie tun sollte, wurde ihr durch ihre Fassungslosigkeit über diese lapidare Entschuldigung abgenommen. „Ich glaube nicht, dass du das wirklich weißt! Sonst würdest du nicht mit so einer bescheuerten Entschuldigung kommen!“
Dionne trat erschrocken zwei Schritte zurück und es sah aus, als wolle sie sich hinter dem schmalen Rücken ihres Bruders verstecken. Doch Jayden verschränkte die Arme vor der Brust. Weder versuchte er, Cat zu beschwichtigen, noch kam er seiner Schwester in irgendeiner Art und Weise zur Hilfe. Das ermutigte Cat weiterzusprechen.
„Mist gebaut. Dass ich nicht lache. Das was du getan hast, Dionne – das war mehr als das! Und ich kann dir nicht sagen, ob diese läppische Entschuldigung ausreicht. Und ob ich noch mehr hören will? Das weiß ich auch nicht. Nein, ich glaube nicht. Ich bin sauer, verstehst du? Ich in sauer und verletzt. Und zwar richtig. Du hast mich“, sie hielt inne und sah erst Jayden, dann Ric an, „uns alle, deine Freunde, mit Füßen getreten. Das sitzt tief. Und das tut weh.“ Sie war fertig. Mit herunterhängenden Armen stand sie vor ihrer ehemaligen Freundin und sah ihr ins Gesicht.
Dionne war aschfahl. Mit so einer Predigt hatte sie offensichtlich nicht gerechnet. Sie schluckte ein
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