Das Blut-Haus
nicht erkannt, aber sie verdichtete sich. So schnell wie möglich wollte sie wieder den Weg erreichen und auf das Tor zulaufen.
Der Gedanke an eine rasche Flucht hatte einen Teil ihrer Vorsicht vergessen lassen. Hätte sie sich mehr auf ihre Umgebung konzentriert, wäre ihr möglicherweise etwas aufgefallen.
So lief sie geradewegs in die Falle!
Am Stein lauerte das Verhängnis. Sie hatte ihn noch nicht ganz passiert, da geschah es. Etwas umklammerte ihren rechten Fußknöchel und hielt sie zurück.
Holly zuckte zusammen. Sie dachte an eine Schlange, schaute nach unten, ohne viel erkennen zu können.
Etwas Helles, Gläsernes, Durchsichtiges hatte sich um ihren Knöchel gewickelt. Es war nicht hart, sondern weich und widerstandsfähig, ohne daß sie es allerdings schaffte, den Fuß aus dieser verfluchten Schlinge zu nehmen.
Sekundenlang rührte sie sich nicht. Aber sie sah, wie sich Buschzweige bewegten. Sie teilten sich zu einem Dreieck, als sie vor ihr geöffnet wurden.
Plötzlich schien die Furcht sie zu lähmen. Auf dem Rücken lag der Schauer der Angst wie aufgepinselt. Das Herz klopfte schnell. Sie wollte weg, da umklammerte das schleimige Etwas noch härter ihren rechten Knöchel.
Und es bewegte sich.
Holly hörte sich selbst schreien, als sie den Ruck spürte und nach vorn fiel, direkt auf die V-förmige Öffnung des Gebüschs zu, hinter dem die Gefahr lauerte.
Es war eine Gestalt, die auf Holly gewartet hatte. Die junge Frau klatschte dagegen, einen Moment später fühlte sie sich von einer geleeartigen Masse umklammert, und der widerliche Gestank steigerte sich noch mehr.
Moder, Leichen, Verwesung, das kam alles zusammen und konzentrierte sich auf eine schreckliche Art und Weise.
Holly war dermaßen geschockt, daß sie nicht sah, gegen wen sie gefallen war. Sie hätte auch kaum begriffen, welche Gestalt auf sie gewartet hatte.
Ein Wesen aus Schleim, stinkend, nicht einmal so groß wie ein Mensch, halb durchsichtig, so daß die Knochen noch zu erkennen waren, die wie ein weiches Gebilde in der Schleimmasse zitterten. Holly war dem widerlichsten unter den Dämonen in die Hände gefallen, einem Ghoul.
Leichenfresser wurden sie im Volksmund genannt. Andere Dämonen und Schwarzblütler wollten mit ihnen nichts zu tun haben und hatten die Ghouls aus ihren Reihen verstoßen.
Sie aber konnten nur existieren, wenn es genügend Leichen gab, an die sie herankamen.
Holly würgte. Der Ekel brandete in ihr hoch. Ihr Gesichtsausdruck war schon nicht mehr menschlich zu nennen, und ein Schrei erstickte, als einer dieser Schleimarme von unten her über ihren Körper kroch und sich auf ihrem Gesicht auszuruhen schien.
Holly spürte, daß etwas in ihren Mund drang. Vor ihren Augen tanzten plötzlich dunkle Flecken. Die Luft war ihr knapp geworden, weil sich dieses schleimige Etwas in ihren Mund gebohrt hatte. Sie merkte nicht einmal, daß die Beine von ihrem Körper weggerissen wurden.
Als sie fiel, schleuderte der Ghoul sie nach vorn. Ihr Hinterkopf erwischte die spitze Ecke der Steinkante.
Den Aufprall überlebte Holly nicht.
Der Ghoul ließ sie fallen. Er hatte sofort bemerkt, daß sein Opfer nicht mehr lebte.
Für die Dauer einiger Sekunden stand er da und starrte sie an. Als der Schrei eines Uhus aufklang, war es für den Ghoul wie ein Kommando. Er begann damit, die Tote zu verschlingen…
***
Mason Todd gehörte zu den Menschen, die Siege und Niederlagen gleich gut wegsteckten. Daß Holly ihn allein gelassen hatte, empfand er nicht einmal als Niederlage. Mädchen wie sie kannte er zur Genüge, wenn auch nicht alle ihren perfekten Körper besaßen. Er hatte noch etwas aufgeräumt, danach in die Glotze geschaut und sich ziemlich spät erst ins Bett gelegt.
Kein Telefonanruf störte ihn in der Nacht. Er schlief tief und fest. Was in seinem Garten passierte, bekam er erst recht nicht mit. Nur der abnehmende Mond war Zeuge dieser Szene.
Am anderen Morgen erwachte der Agent voller Tatendurst. Er hatte ein gutes Feeling für den Tag, der wieder sonnig werden würde. Dieser Sommer hatte es in sich. Aber an der Küste, wo er wohnte, konnte er es schon aushalten. Hier wehte ständig ein frischer Wind, der den so typischen Seegeruch mitbrachte.
Balsam für die Lungen. Das dachte auch Todd, als er noch vor dem Duschen auf die Bruchsteinterrasse trat und seinen Körper durch Gymnastik geschmeidig machte. Anschließend ließ er das Wasser fließen, nahm Wechselbäder und bereitete sich dann das Frühstück vor.
Weitere Kostenlose Bücher