Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
für richtig oder falsch halte. Nicht anders entscheidet Ihr. Ihr geht auch danach, was Ihr für richtig oder falsch erachtet.«
»Ihr solltet Advokat werden«, seufzte die Kaiserin. »Ihr beide.« Sie bedachte uns mit einem Blick, den man zwar nicht wohlgemut nennen konnte, der aber weit freundlicher war als zuvor. Sie wandte sich an Serafine. »Euer Argument ist, dass wir dem folgen sollen, was er als richtig erachtet, weil es sich bewiesen hat?«
Serafine nickte leicht. »Genau das.«
Desina musterte mich mit gerunzelter Stirn und wandte sich dann an die Eule Asela. »Womit die Frage bleibt, ob es so ist, dass sich die Richtigkeit seiner Entscheidungen bewiesen hat. Sag du es mir, Asela. Irrt er, oder irren wir?«
»Wenn eine der liebreizenden Seras mir vielleicht das Wort gewähren würde, dann könnte ich …«, begann der Pirat, um sich wieder zu ducken, als Aselas Blick auf ihn fiel.
»Wir kommen noch zu dir«, sagte die Eule, und es klang wie eine Drohung. »Jetzt schweig, ich versuche gerade zu denken.« Ihr Blick schwenkte zu mir herum. »Wusstet Ihr, was Ihr tatet, als Ihr damals den Weltenstrom zu Balthasar hingelenkt habt?«
»Nein«, gab ich wahrheitsgemäß Antwort. »Ich wusste nur, dass ich es versuchen musste. Er war uns so weit überlegen, mir fiel nichts anderes mehr ein.«
»Dass damit die Kaiserstadt wieder Anschluss an den Weltenstrom erhalten würde, war Euch nicht bekannt?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Es gibt eine Theorie«, sagte die Eule jetzt ganz langsam. »Dass in einem unübersehbaren Geflecht von Konsequenzen einer Handlung die Handlung selbst nicht von Gewicht ist, nur dass gehandelt wird, sich dann aber dennoch aus dieser unbestimmten Handlung eine gewünschte Konsequenz ergibt, auch wenn die vorangehende Handlung unbestimmt gewesen ist.«
Ich kratzte mich am Kopf. »Das versteh ich nicht.«
»Das müsst Ihr auch nicht«, sagte Asela großmütig. »Solange wir es tun.«
»Ich erkläre es Euch«, sagte Desina mit einem verschmitzten Lächeln, offenbar hatte sich ihre Stimmung gehoben. »Vor Euch steht ein Baum. Ihr wollt ihn fällen, aber Ihr habt keine Axt. Da Ihr den Baum jedoch fällen wollt, wird er gefällt werden. Auch wenn Ihr keine Axt besitzt.«
Ich sah sie immer noch verständnislos an. »Es ist einfach«, übernahm Asela jetzt. »Vielleicht habt Ihr den Baum wie ein Biber durchgenagt. Das Warum des Fallens dieses Baums gründet sich nicht auf das, wie Ihr den Baum zu Fall gebracht habt, sondern einzig und allein darauf, dass Ihr entschieden habt, dass er fallen muss.« Sie lächelte knapp. »Kurzum, der Baum fällt, weil dies Euer Wille war. Wie er fällt, ist dabei egal.«
»Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt?«, fragte ich sie.
»Habe ich«, sagte sie. Offenbar hatte die Eule auch ihren Humor zurückerhalten, denn sie lächelte dabei. »Der Punkt ist, dass, unter Annahme dieser Theorie, sich Serafines Ansicht nachvollziehen, sich aber im Rahmen dieses Konstrukts der Gegenbeweis nicht erbringen lässt, wodurch die grundlegende Annahme, wenn auch nicht bestätigt, so zumindest doch für den Moment unwiderlegbar ist.«
»Sie sagt, Serafine hat wahrscheinlich recht«, übersetzte mir die Kaiserin mit einem Lächeln. »Sie spricht nur so, weil sie weiß, dass ich solche Sätze liebe.«
»Ja«, sagte Serafine. »Nur dass Asela nie so sprach.« Sie musterte die Eule, die jetzt etwas bleich geworden war. »Du hast zu viel Zeit mit Balthasar verbracht«, stellte Serafine fest.
»Ja«, sagte Asela. »Das wird es wohl gewesen sein.« Sie gab sich Mühe, ihre Erleichterung zu verbergen, doch ich war mir nicht sicher, ob es Serafine entging.
»Nun, Lanzengeneral«, sagte jetzt Desina. »Ich bin mir nicht sicher, wie sehr ich mich von Euch führen lassen will, aber für den Moment soll das jetzt ruhen. Erklärt mir vielmehr, warum es in Euren Augen ein Fehler war, diesen Mann festzusetzen. An seiner Gefährlichkeit werdet ja wohl auch Ihr keinen Zweifel hegen.«
»Es ist einfach«, sagte ich schulterzuckend. »Ohne ihn ständen wir nicht hier. Er hielt sein Wort, ich halte meines. Ich gab ihm mein Wort, dass er, wenn er seinen Teil erfüllt, ein freier Mann wäre. Er hielt seinen Teil und rettete damit Königin Leandra das Leben. Wenn Ihr ihn einsperrt, ohne dass er gegen das Gesetz erneut verstößt, brecht Ihr mein Wort.«
»Und das ist falsch?«, meinte Asela, während sie sich den blutigen Marcus besah.
»Ja«, sagte ich. »Das ist falsch.«
»Jerbil
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