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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Bibliothek, in alten Büchern und Archiven nach – alles, was wichtig sein könnte. So Gott will, hab ich einen Plan, wenn ihr nach Einbruch der Dunkelheit wieder auftaucht. Paßt bis dahin gut auf. Gott segne dich, Jim, und dich, Will." 
    Der kleine Vater, der auf einmal sehr groß war, ging langsam davon. 
    Er merkte nicht, daß ihm die Zigarre aus der Hand fiel und in einem Funkenregen durch das Gitter rollte. 
    Da lag sie nun in dem viereckigen Loch und starrte Jim und Will mit einem funkelndroten Auge an. Die beiden starrten zurück, machten das Auge schließlich blind und drückten die Zigarre aus. 

Sechsunddreißigstes Kapitel 

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    Der Zwerg wanderte mit irren, hellblitzenden Augen auf der Hauptstraße nach Süden. 
    Plötzlich blieb er stehen und entwickelte in seinem Gehirn ein Stück Film. Er überprüfte ihn, stieß einen ärgerlichen Laut aus und stolperte zurück durch einen ganzen Wald von Beinen. Als er den Illustrierten Mann fand, zog er ihn zu sich herab, bis ein Flüstern ausreichte. 
    Mr. Dark hörte ihm zu und rannte dann so rasch davon, daß der Zwerg nicht Schritt halten konnte. 
    Vor dem Zigarrenladen mit dem Holzindianer sank der Illustrierte Mann auf die Knie. Er packte den eisernen Rost mit beiden Händen und starrte in die Dunkelheit hinunter. 
    Da unten lagen vergilbte Zeitungsreste, zusammengeknülltes Einwickelpapier von Bonbons, Zigarrenstummel und Kaugummireste. 
    Mr. Dark stieß einen unterdrückten Zornesschrei aus. 
    "Haben Sie was verloren?" 
    Mr. Tetley sah über seine Theke hinweg. 
    Der Illustrierte Mann hielt sich am Gitter fest und nickte einmal. 
    "Einmal im Monat suche ich das Loch nach Geldstücken ab", sagte Mr. Tetley. "Wieviel haben Sie verloren? Einen Zehner? Einen Vierteldollar? Oder gar einen halben?" 
    Ting! 
    Der Illustrierte Mann funkelte Mr. Tetley an. 
    Im Fensterchen der Registrierkasse war ein feuerrotes Schild hochgesprungen. 
    KEIN VERKAUF.

Siebenunddreißigstes Kapitel 

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    Die Turmuhr schlug sieben. 
    Das Echo wanderte durch die dunklen Flure der Bibliothek. 
    Irgendwo im Dunkeln fiel raschelnd, trocken, ein herbstliches Blatt. 
    Doch es war nur die Seite eines Buches, die umgeblättert wurde. 
    In einer der halbdunklen Grüfte beugte sich Charles Halloway im Schein einer Lampe mit grasgrünem Schirm über die Bücher. Die Lippen vorgeschoben, Augen verengt, schlug er mit zitternden Fingern die Seiten um, schob ein Buch beiseite, holte ein anderes. Ab und zu lief er ans Fenster und warf einen aufmerksamen Blick hinaus in den Herbstabend. Dann beugte er sich wieder über die Seiten, blätterte, schob hier ein Lesezeichen ein, kritzelte sich da ein Zitat auf ein Blatt Papier, flüsterte vor sich hin. Seine Stimme klang als Echo aus den Tiefen der Bibliothek zurück. 
    "Sieh da!" 
    "... da... da...!" sagten die nächtlichen Hallen. 
    "Das Bild!" 
    "Bild...", antworteten die Flure. 
    "Und das da!" 
    "Das da..." Staub senkte sich. 
    Es war der längste aller Tage seines Lebens, soweit er sich zurückerinnern konnte. Er hatte sich unter seltsame und weniger seltsame Leute gemischt, hatte nach der weitläufigen Parade nach den Suchern gesucht. Er hatte der Versuchung widerstanden, Jims Mutter und Wills Mutter mehr zu sagen, als sie an einem vergnügten Sonntag zu wissen brauchten. Inzwischen war ihm der Zwerg über den Weg gelaufen, er hatte dem Spitzkopf und dem Feuerfresser zugenickt, sich von schattendunklen Seitenwegen ferngehalten und sein Entsetzen unterdrückt, als er wieder am Zigarrenladen vorbeikam und das dunkle Loch unter dem eisernen Gitter leer fand. Er wußte, daß sich die Jungen irgendwo verborgen hielten. Vielleicht ganz in der Nähe oder – gebe Gott – weit weg. 
    Dann ließ er sich von der Menge auf die Festwiese schieben, betrat aber die Zelte nicht, ging nicht an die Karussells heran, beobachtete, sah die Sonne untergehen und gelangte gerade im ungewissen Schein des Dämmerlichts an das kalte Glasmeer des Spiegelkabinetts. Vom Ufer aus sah er genug, um einen Schritt zurück zu tun und nicht zu ertrinken. Naß und kalt bis auf die Knochen, ließ er sich von der wärmenden Menschenmenge beschützen, ehe die Nacht in der Stadt ihn erfaßte. Von der Woge der anderen ließ er sich in die Stadt zurücktragen, in die Bibliothek, zu den so wichtig gewordenen Büchern. Er legte sie auf dem Tisch wie eine große Uhr aus, wie jemand, der einen

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