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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Welt, die drei Kater, kuschelten sich aneinander und badeten im Mondschein. 
    "Was war eigentlich los?" fragte Jim später. 
    "Was war nicht los?" rief Dad. 
    "He!" sagte Jim immer wieder. "He, he..." Ganz leise. 
    "Ach, Jim, Jim", sagte Will. "Wir bleiben immer Freunde." 
    "Na klar." Jim wurde jetzt sehr still. 
    "Schon gut", sagte Wills Vater. "Weint ein bißchen, wir haben's geschafft. Dann, auf dem Heimweg, können wir wieder lachen." 
    Will ließ Jim los. 
    Sie standen auf und sahen einander an. Will betrachtete seinen Vater mit glühendem Stolz. 
    "O Vater – du hast's geschafft. Geschafft!" 
    "Nein, wir haben es gemeinsam geschafft." 
    "Aber ohne dich wäre jetzt alles vorbei. Dad, ich hab dich nie richtig gekannt. Aber jetzt weiß ich's." 
    "Wirklich, Will?" 
    "Darauf kannst du Gift nehmen." 
    Jeder sah den anderen wie durch einen feucht schimmernden Glorienschein. 
    "Also dann, mein Sohn – nett, dich kennenzulernen. Die richtige Antwort – und eine Verbeugung!" 
    Dad hielt ihm die Hand hin. Will schlug ein. Sie lachten und wischten sich über die Augen, dann sahen sie rasch hinüber zu den Fußspuren, die über den Hügel führten. 
    "Dad, werden sie wiederkommen?" 
    "Nein. Und ja." Dad steckte seine Mundharmonika ein. 
    "Nein, die hier nicht mehr. Aber andere werden kommen, die genauso sind. Nicht als Zirkus. Nur Gott weiß, welche Gestalt sie das nächstemal annehmen. Aber bei Sonnenaufgang, spätestens um die Mittagszeit oder morgen abend, da werden sie sich wieder zeigen. Sie sind unterwegs." 
    "O nein", sagte Will. 
    "O doch", sagte sein Vater. "Wir müssen unser ganzes Leben lang wachsam sein. Der Kampf hat erst begonnen." 
    Sie gingen langsam um das Karussell herum. "Wie werden sie aussehen? Wie werden wir sie erkennen?" 
    "Nun", sagte Dad leise, "vielleicht sind sie schon hier." 
    Die beiden Jungen sahen sich rasch um. 
    Doch auf den Wiesen war nichts außer ihnen selbst, der Maschine und dem Gras. 
    Will sah Jim an, dann seinen Vater, dann blickte er an sich selbst herab. Er warf Dad einen Blick zu. 
    Dad nickte, einmal und sehr ernst, dann deutete er hinüber zum Karussell, ging darauf zu und berührte einen der Messingpfosten. 
    Will trat neben ihn. Jim stellte sich neben Will. 
    Jim streichelte dem Pferd die Mähne. Will tätschelte ihm die Schulter. 
    Die große Maschine neigte sich sanft auf den Wellen der Nacht. 
    Nur dreimal herum, vorwärts, dachte Will. Junge! 
    Nur viermal herum, vorwärts, dachte Jim – das wär was! 
    Nur zehnmal herum, rückwärts, dachte Charles Halloway – Herr im Himmel! 
    Jeder las dem anderen die Gedanken von den Augen ab. 
    Wie einfach, dachte Will. 
    Nur das eine Mal, dachte Jim. 
    Aber dann, dachte Charles Halloway, wenn man erst einmal anfängt, geht es immer weiter. Einmal und noch einmal und noch einmal. Man bietet Freunden an mitzufahren, anderen Leuten, bis schließlich... 
    Dieser Gedanke traf sie alle und machte sie stumm. 
    Schließlich ist man der Besitzer des Karussells, der Herr der Mißgeburten, der Meister eines kleinen Teils der Ewigkeit in einer reisenden Zirkusschau... 
    Vielleicht, sagten ihre Augen, vielleicht sind sie schon hier. 
    Charles Halloway bückte sich zum Antrieb des Karussells, fand einen Schraubenschlüssel und zerschlug Gelenke und Gestänge. Dann trat er mit den beiden Jungen vor den Schaltkasten und schlug einmal und noch einmal, bis ein Schwarm blauer Funken aus dem Kasten stob. 
    "Vielleicht ist das unnötig", sagte Charles Halloway. "Vielleicht würde es ohnehin nicht laufen, wenn die Mißgeburten nicht mehr da sind, ihm Kraft zu verleihen. Aber..." Er hieb ein letztes Mal auf den Kasten und warf den Schlüssel fort. 
    Gehorsam schlugen die Turmuhren des Rathauses, der Baptistenkirche, der Methodisten, der Episkopalier und der Katholiken – alle Uhren – zwölfmal. Mitternacht. Im Wind sang die Zeit. 
    Die Jungen gingen los wie Pistolen. 
    Der Vater zögerte nur einen Augenblick. Er spürte leichte Schmerzen in der Brust. Was wird geschehen, wenn ich laufe, überlegte er. Ist der Tod so wichtig? Nein. Das, was sich vor dem Tod ereignet, das zählt. Wir haben uns heute tapfer geschlagen. Das kann uns auch der Tod nicht verderben. Da liefen sie, die Jungen. Warum soll ich ihnen nicht nachlaufen? 
    Er rannte los. 
    Herr im Himmel! War das köstlich, ihr Leben Spuren auf den kühlen, betauten Wiesen ziehen zu lassen,

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