Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
wenn ein Kaugummi nach weniger als fünf Minuten den Geschmack verloren hatte, wusste ich, dass ich eine andere Methode finden musste, um mich zu beruhigen.
Kate blieb vor einem dreistöckigen grellgrünen Haus mit einer umlaufenden, lila gestrichenen Veranda stehen. An den Balken über uns schaukelte ein hölzernes Schild: Kabinett der Merkwürdigen Schwester .
Kate zog die Buntglastür auf und trat ein. Wie die meisten Dessousläden, die sich in den ehemaligen Herrenhäusern an der Catfish Row angesiedelt hatten, gab es auch im Kabinett der Merkwürdigen Schwester alles Mögliche, was die Brüste ins rechte Licht rückte. An den Wänden hingen Plakate vollbusiger Promis und in den Regalen lagen alle Arten von trägerlosen BHs . Doch da sich die Merkwürdige Schwester in einer Seitenstraße der Promenade befand, hatte mir Kate versichert, sei der Laden der einzige hundertprozentig Bambi-freie Ort in Charlestons aufgehübschtem Rotlichtbezirk.
»Was ziehst du für ein finsteres Gesicht?«, fragte Kate. »Wo ist dein beinahe-hoheitliches Lächeln?«
Also verbannte ich fürs Erste die Gedanken an meinen Vater und ließ mich zu einem kleinen, fast ehrlichen Lächeln herab. Kate hatte recht. Als Beinahe-Hoheit konnte ich mir ein Lächeln leisten, besonders nachdem wir unsere Pläne geschmiedet hatten. Wenn alles gut ging, würden Mike und ich in ein paar Tagen glücklich gekrönt werden.
Dann war der Wahlkampf vorbei und wir konnten uns im Erfolg unserer gemeinsamen Bemühungen sonnen. Wir würden lange wach bleiben, unsere Krönungsreden überarbeiten und unseren Walzer für den Ball üben. Ja, wir würden Walzer tanzen. Und nach dem Ball würden wir uns eine Flasche Champagner schnappen und zu unserer Lieblingsstelle, dem geheimen Wasserfall am Mount Pleasant, gehen und nicht vor Sonnenaufgang nach Hause kommen.
Nur wir beide, so wie wir es immer vorgehabt hat-ten.
»Ja, genau das habe ich gemeint«, nickte Kate, als sie mein Gesicht sah. »Und jetzt wenden wir uns meinem wichtigsten Problem zu, und das sind Federn auf einem Lycra-Hintern .« Sie hielt einen roten, paillettenbesetzten Catsuit hoch und drehte ihn um, sodass der Busch roter Federn genau über dem Hinterteil zu sehen war. »Soll ich es lieben oder lassen?«
»Ah, ist das etwa ein Schwanz?«, fragte ich, halb entsetzt, halb fasziniert.
»Falls es euch interessiert«, die Ladeninhaberin mit den wilden roten Locken räusperte sich hinter der Kasse, »das haben wir auch noch in Lila.«
»Es gibt nur wenige Frauen, die Lila tragen können«, grinste Kate. »So wie Nat.« Dann presste sie den Catsuit an die Brust und zwinkerte mir teuflisch zu. »Ich glaube, ich mache mal eine Probefahrt mit diesem Baby.«
Als sie in der Umkleidekabine verschwand, musste ich kopfschüttelnd lachen. Als Tochter des reichsten Anwalts von Charleston hatte Kate gegenüber den meisten anderen Mädchen an der Palmetto – die eben nur »genug« Geld hatten – einen deutlichen Vorteil.
Kates Mutter war erwiesenermaßen geisteskrank (wenn die Wände des Country Clubs reden könnten!), doch dank des unversiegbaren Bankkontos ihres Gatten nannten sie alle »exzentrisch« und nicht »verrückt«. Als wenn es bestimmte Worte gäbe, die im Zusammenhang mit Milliardären einfach nicht existierten. Kate kam also anders als die meisten anderen Mädchen damit durch, ihre Zunge zu piercen, sich jedes Jahr ein neues Tattoo zuzulegen … und pailletten- und federbesetztes Lycra zu tragen, ohne Gefahr zu laufen, als Schlampe bezeichnet zu werden. Vielleicht mochte ich sie deshalb: Sie lebte wie jemand ohne Furcht.
Da ich vom entgegengesetzten Ende des Geldspektrums stammte, ließ ich meine Hand über ein paar Lederbustiers gleiten und war erneut froh darüber, dass mein Kostüm mit nichts in diesem Laden vergleichbar war. Gerade als ich mich der Vorstellung hingeben wollte, wie Mike und ich in unseren Kostümen heute Abend über die Party schwebten, trat jemand zu mir und hielt den geschmacklosen Catsuit in Lila hoch.
»Ich dachte, du möchtest das hier vielleicht anprobieren«, schnurrte Justin Balmer.
Die holzige Note seines Aftershaves überwältigte mich. Dabei hatte ich geglaubt, dass kein Geruch gegen die Jasmin-Aromakerze anstinken könnte, die die Merkwürdige Schwester an der Kasse brennen ließ. Eau de J. B. war zwar eigentlich kein schlechter Geruch, aber wahrscheinlich drehte mir Justins bloße Nähe den Magen um.
Ich versuchte, den Catsuit nicht anzusehen – oder wie
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