Das Böse unter der Sonne
Zeugen.»
Rosamund starrte ihn entgeistert an. «Willst du damit andeuten, dass du glaubtest, ich hätte deine Frau umgebracht?»
Kenneth Marshall wurde es unbehaglich. Er murmelte: «Verdammt, Rosamund, erinnerst du dich nicht mehr, wie du damals wegen diesem Hund beinahe einen Jungen umgebracht hättest? Wie du ihn am Hals packtest und nicht mehr loslassen wolltest?»
«Aber das ist viele Jahre her.»
«Ja, schon…»
«Was für ein mögliches Motiv hätte ich denn gehabt?», unterbrach ihn Rosamund scharf. «Was für ein Motiv hätte ich haben sollen, Arlena umzubringen?»
Er blickte zu Boden. Dann murmelte er etwas Unverständliches.
«Ken, du Heuchler!», rief Rosamund. «Du dachtest, ich hätte sie getötet, um dir zu helfen, nicht wahr? Oder – oder glaubtest du, ich hätte sie umgebracht, weil ich dich für mich haben wollte?»
«Nein, bestimmt nicht», antwortete Kenneth Marshall empört. «Aber erinnere dich, was du an dem Tag, als sie starb, zu mir sagtest, über Linda und so. Und – und ich hatte den Eindruck, dass es dir nicht gleichgültig war, was mit mir geschah.»
«Es ist mir nie gleichgültig gewesen», sagte Rosamund.
«Ich glaube dir. Weißt du, Rosamund, ich bin kein großer Redner, ich kann nicht viele Worte machen, aber eines möchte ich klarstellen. Ich liebte Arlena nicht, vielleicht am Anfang ein wenig, ja – und mit ihr Tag für Tag zusammen sein zu müssen war ziemlich zermürbend. Offen gestanden, es war die Hölle, aber sie tat mir schrecklich Leid. Sie war so dumm, so verrückt nach den Männern, sie konnte nichts dafür. Und die Männer behandelten sie so gemein und betrogen sie. Ich fand einfach, dass ich mich nicht von ihr trennen und sie ihrem Schicksal überlassen durfte. Schließlich hatte ich sie geheiratet. Es war meine Pflicht, mich, so gut ich konnte, um sie zu kümmern. Ich glaube, das wusste sie und war mir dafür auch dankbar. Sie war – sie war wirklich ein so bemitleidenswertes, rührendes Geschöpf.»
«Ist schon in Ordnung, Ken», sagte Rosamund freundlich. «Ich verstehe dich sehr gut.»
Ohne sie anzusehen, stopfte sich Kenneth Marshall umständlich die Pfeife. «Du – du verstehst überhaupt alles, Rosamund!», murmelte er.
Ein schwaches Lächeln erschien um Rosamunds Mund. «Fragst du mich jetzt, Ken, ob ich dich heiraten möchte, oder bist du entschlossen, noch sechs Monate zu warten?»
Kenneth Marshall fiel die Pfeife aus dem Mund. Sie ging unten auf den Felsen in tausend Stücke. «Verdammt», sagte er, «das ist nun schon die zweite Pfeife, die hier kaputtgeht. Und ich habe keine andere. Wieso, zum Teufel, wusstest du, dass ich anstandshalber sechs Monate warten wollte?»
«Vielleicht, weil sechs Monate wirklich die richtige Zeit sind. Aber ich möchte es schon jetzt gern wissen. Denn sonst triffst du womöglich wieder eine Frau, die du retten willst, und spielst den Kavalier.»
Er lachte.
«Diesmal bist du die Frau, die gerettet werden muss, Rosamund. Du wirst dieses verdammte Modeatelier aufgeben und mit mir aufs Land ziehen.»
«Weißt du denn nicht, dass ich mit meinem Atelier ganz nett verdiene? Begreifst du nicht, dass es mein Geschäft ist, dass ich es aufgebaut habe und stolz darauf bin? Es ist eine verdammte Unverschämtheit von dir, einfach so zu verlangen, dass ich aufhöre.»
«Ja, so unverschämt bin ich.»
«Und du glaubst, ich bin damit einverstanden, nur weil ich dich liebe?»
«Wenn nicht», sagte Kenneth Marshall, «hätte ich mich in dir sehr getäuscht.»
«Ach, mein Liebling», sagte Rosamund zärtlich, «mein ganzes Leben lang wollte ich mit dir auf dem Land leben. Jetzt ist es endlich soweit…»
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