Das Bourne Imperium
unter keinen Umständen das Telefon in seiner Wohnung benutzen, um den Kontakt herzustellen. Die Telefonrechnungen enthielten die Nummern aller geführten Gespräche, und alle Rechnungen wurden der Abteilung zur Überprüfung eingereicht. Das war eine Routinemaßnahme, die von den Agenten sehr begrüßt wurde. MI-6 übernahm die Kosten aller Gespräche, auch der privaten.
Die zwei Männer in Wagen drei und sieben hatten sich im Hauptquartier gemeldet, als er das fünfte Gespräch führte. Einer war im Haus seiner Freundin und hatte erklärt, dass er nicht beabsichtige, es die nächsten vierundzwanzig Stunden zu verlassen. Er hatte den Mann in der Zentrale gebeten, alle »dringenden Anrufe von Klienten« entgegenzunehmen und jedem zu sagen, dass seine Vorgesetzten ihn in die Antarktis geschickt hätten.
Negativ. Doppelagenten verhielten sich nicht so, sie machten auch keine Witze. Sie verrieten auch niemals Ort und Identität eines Briefkastens. Beim zweiten sah es, falls das überhaupt möglich war, noch negativer aus. Er teilte der Zentrale mit, dass er zur Verfügung stehe, für größere oder kleinere Probleme, innerhalb und außerhalb Libelle, und erbot sich sogar, Dienst in der Fernmeldezentrale zu machen. Seine Frau hatte vor wenigen Tagen Drillingen das Leben geschenkt, und er vertraute dem Telefonisten mit einem Anflug von Panik in der Stimme an, dass er bei der Arbeit mehr Ruhe habe als zu Hause. Negativ.
Sieben geprüft und sieben negativ. Blieben ein Mann im Pagoda-Kino, wo er weitere vierzig Minuten sein würde, und der andere im Jachtclub in Aberdeen.
Sein Funktelefon summte eindringlich, wie es ihm schien, oder war das nur seine eigene Unruhe. »Ja?«
»Ich habe gerade eine Nachricht für Sie entgegengenommen, Sir«, sagte der junge Mann. »›Adler an Libelle null. Dringend. Melden.‹«
»Danke.« Lin sah auf die Uhr am Armaturenbrett. Er hätte
sich bereits vor fünfunddreißig Minuten mit Havilland und dem legendären Alexander Conklin treffen sollen. »Junger Mann?«, sagte Lin und hob das Mikrofon wieder an die Lippen.
»Ja, Sir?«
»Ich habe keine Zeit für den besorgten, aber im Augenblick nicht so wichtigen ›Adler‹, doch ich möchte ihn nicht beleidigen. Er wird zurückrufen, wenn ich mich nicht melde, und ich möchte dass Sie ihm erklären, es sei Ihnen nicht gelungen, mich zu erreichen. Anschließend werden Sie mich natürlich sofort verständigen.«
»Wird mir ein Vergnügen sein, Herr Major.«
»Wie bitte?«
»Der ›Adler‹ war sehr ungehalten. Er schrie etwas von Verabredungen, die man gefälligst einhalten sollte, wenn man schon zugesagt habe, und …«
Lin hörte sich den Bericht an und nahm sich vor, falls er die Nacht überlebte, ein Gespräch mit Edward McAllister über gute Manieren am Telefon zu führen, ganz besonders in Krisenzeiten. Zucker erzeugt freundliche Miene, Salz nur Grimassen.
»Ja, ja, ich verstehe, junger Mann. Wie unsere Vorfahren vielleicht gesagt hätten, möge der Schnabel des Adlers in seinem After stecken bleiben. Tun Sie nur, was ich sage, und unterdessen – in fünfzehn Minuten von jetzt an – nehmen Sie mit unserem Mann im Pagoda-Kino Verbindung auf. Wenn er sich meldet, geben Sie ihm meine Geheimnummer und schalten Sie sie auf diese Frequenz, natürlich weiterhin mit Zerhacker.«
»Selbstverständlich, Sir.«
Lin jagte auf der Hennessy Road in östlicher Richtung am Southern Park vorbei zur Fleming Road, wo er nach Süden in die Johnston abbog und dann wieder in östlicher Richtung auf der Burrow Street zum Pagoda-Kino fuhr. Dort bog er in den Parkplatz ein und fuhr den für die Geschäftsleitung reservierten Platz an. Er steckte eine Polizeikarte an die Windschutzscheibe, stieg aus und rannte zum Eingang. Vor dem Schalter standen nur wenige Leute, die
sich für die Mitternachtsvorstellung von Wollust in Asien interessierten, eine seltsame Wahl für den Agenten im Kino. Da er noch sechs Minuten Zeit hatte und auch um keine Aufmerksamkeit zu erwecken, stellte Lin sich geduldig hinter den drei Männern an, die vor dem Schalter warteten. Neunzig Sekunden später hatte er die Eintrittskarte. Er ging hinein, gab die Karte der Platzanweiserin und wartete, bis seine Augen sich der Dunkelheit und dem pornografischen Film auf der fernen Leinwand angepasst hatten. Eine seltsame Wahl für den Mann, den er auf die Probe stellte, aber er hatte sich fest vorgenommen, sich keine Vorurteile zu gestatten, und auf den Versuch zu verzichten, einen
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