Das Bourne Imperium
schlecht gestanden, hätte jeder tüchtige Anwalt vor Gericht Schadenersatz von mindestens zehn Millionen verlangt, und nicht nur reichliche fünf.
Sie hatte im Gespräch mit einem äußerst nervösen Direktor der CIA laut über mögliche gerichtliche Maßnahmen spekuliert. Ihr einziger Hinweis auf die fehlenden Gelder bestand darin, dass sie meinte, angesichts ihrer Fachkenntnisse auf wirtschaftlichem Gebiet sei sie erschüttert darüber, wie leichtsinnig doch mit den hart verdienten Dollars der amerikanischen Steuerzahler umgegangen werde. Sie hatte diese Kritik mit schockierter, wenn auch sanfter Miene vorgebracht, aber ihre Augen sagten dabei etwas anderes. Diese Dame war eine Tigerin – und dazu hoch intelligent und höchst motiviert –, und die Botschaft erreichte den Empfänger. Und so kam es, dass erfahrene, vorsichtige Männer die Angelegenheit auf sich beruhen ließen. Die an Jason Bourne geflossenen Gelder wurden im Geheimetat versteckt.
Jedes Mal, wenn sie Geld brauchten – eine Reise, ein Wagen, das Haus – riefen Marie oder David ihren Bankier auf
den Cayman-Inseln an, und der überwies das Geld dann telegrafisch auf irgendeine Verbindungsbank in Europa, den Vereinigten Staaten, den Pazifischen Inseln oder dem Fernen Osten. Webb führte aus einer Telefonzelle an der Wyoming-Avenue ein R-Gespräch und verblüffte seinen Bankier mit dem Betrag, den er sofort brauchte, und dem weiteren, den er nach Hongkong dirigierte. Das R-Gespräch kostete keine acht Dollar, der Betrag, den er anforderte, belief sich auf eine halbe Million.
»Ich nehme an, meine liebe Freundin, die kluge, hinreißende Marie, ist einverstanden, David?«
»Sie hat mir aufgetragen, Sie anzurufen. Sie hat gesagt, sie könne sich nicht um jede Kleinigkeit kümmern.«
»Das passt zu ihr! Gehen Sie zu folgenden Banken …«
Webb trat durch die dicken Glastüren der Bank an der 14. Straße, verbrachte zwanzig lästige Minuten mit einem Vizepräsidenten, der sich zu große Mühe gab, in diesen zwanzig Minuten freundschaftliche Gefühle für ihn zu entwickeln, und ging dann mit fünfzigtausend Dollar hinaus, vierzig in Fünfhunderterscheinen, der Rest gemischt.
Dann rief er ein Taxi und ließ sich zu einer Wohnung im Nordwesten der Stadt fahren, wo ein Mann lebte, den er in seinen Tagen als Jason Bourne gekannt hatte, ein Mann, der für die Operation Treadstone 71 Sonderaufträge erledigt hatte. Es handelte sich um einen Neger mit silbergrauem Haar, der so lange Taxifahrer gewesen war, bis eines Tages ein Fahrgast eine Hasselblad-Kamera im Wagen vergessen und sie nie zurückverlangt hatte. Das lag Jahre zurück, und der Taxifahrer hatte in diesen Jahren unzählige Experimente mit der Kamera angestellt und schließlich seinen wahren Beruf gefunden. Um es ganz einfach auszudrücken, er war so etwas wie ein Genie der ›Änderung‹ – wobei seine Spezialität Fotos für Pässe und Führerscheine und sonstige Ausweispapiere für Leute waren, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren. David hatte sich nicht an den Mann erinnert, hatte aber unter Panovs Hypnose den Namen erwähnt – der Mann trug den unwahrscheinlichen Namen Cactus –, und Mo hatte den Fotografen nach Virginia geholt,
damit er mithelfe, einen Teil von Webbs Erinnerungsvermögen in Gang zu setzen. In den Augen des alten Negers war viel Wärme und Mitgefühl gewesen, und am Ende der Sitzung hatte er Panov gebeten, David einmal die Woche besuchen zu dürfen, obwohl das für ihn sehr umständlich war.
»Warum, Cactus?«
»Weil man ihn so gequält hat, Sir. Ich hab das schon vor ein paar Jahren durch das Objektiv gesehen. Irgendetwas fehlt in ihm, aber trotzdem ist er ein guter Mensch. Ich kann mit ihm reden. Ich mag ihn, Sir.«
»Sie können kommen, wann Sie wollen, Cactus. Und hören Sie bitte mit diesem unsinnigen ›Sir‹ auf. Das ist eine Ehre, die ich Ihnen antun möchte … Sir.«
»Ach, wie die Zeiten sich ändern. Wenn ich einen meiner Enkel einen guten Nigger nenne, dann würde er mir am liebsten den Schädel einschlagen.«
»Das sollte er auch … Sir .«
Webb verließ das Taxi und bat den Fahrer, auf ihn zu warten, was dieser aber ablehnte. David gab ihm kein Trinkgeld und ging den mit Natursteinplatten belegten Weg zu dem alten Haus. In mancher Hinsicht erinnerte es ihn an das Haus in Maine – zu groß und an zu vielen Stellen reparaturbedürftig. Er und Marie hatten beschlossen, nach einem Jahr ein Haus am Strand zu kaufen. Für einen erst
Weitere Kostenlose Bücher