Das Bourne Ultimatum
ein anderer Mann. Auch sein Anzug war ordentlich, dunkel und gut gebügelt, nur dass er besser geschnitten war, als würde sein Besitzer seinem Äußeren einige Aufmerksamkeit widmen. Auch sein Gesicht war anders. Er war blasser, seine Augen waren durchdringender, irgendwie aufmerksamer, und sie vermittelten den Eindruck, dass er seine Worte mit großer Sorgfalt abwägte.
»Abgesehen von dem klerikalen Titel, den Sie sich angeeignet haben, haben wir keinerlei Information zu Ihrer Identität, und Sie haben ganz offensichtlich nicht die Absicht, diese weiter zu enthüllen. Was das betrifft, was Sie wissen: Sie haben die offenkundigen Schwächen und die daraus folgenden Ungerechtigkeiten unseres Systems angesprochen, aber das ist überall das Gleiche. Sie hätten ebenso gut von völlig
anderen Bereichen sprechen können - die Klagen wären die gleichen gewesen. Nichts Neues...«
»Wie können Sie es wagen?«, schrie Carlos, der Schakal, mit hervortretenden Venen an seinem Hals. »Wer sind Sie, dass Sie mir solche Dinge sagen dürfen? Ich bin der Monseigneur von Paris, ein wahrer Sohn der Revolution!«
»Und ich bin Gerichtsrat am Justizministerium, Genosse Monseigneur, und ein sehr viel jüngeres Produkt dieser Revolution. Vielleicht kenne ich die Obersten des KGB nicht, von denen Sie behaupten, es wären Ihre Lakaien, aber ich kenne die Strafen dafür, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen und unseren Vorgesetzten persönlich - unter vier Augen - gegenüberzutreten, anstatt etwaige Unregelmäßigkeiten direkt dem entsprechenden Büro zu melden. Es sind Strafen, denen ich mich lieber nicht gegenübersehen möchte, ohne weit gründlicheres Beweismaterial als obskure Dossiers aus unbekannten Quellen, möglicherweise erfunden von unzufriedenen Beamten noch unterhalb unseres Ranges... Ehrlich gesagt, möchte ich sie gar nicht sehen, um so einer möglichen Kompromittierung aus dem Wege zu gehen, die meiner Stellung schaden könnte.«
»Sie sind nichts als ein unbedeutender Anwalt!«, brüllte Carlos und ballte wiederholt seine Hände zu Fäusten, die Augen blutunterlaufen. »Sie sind allesamt Rechtsverdreher! Sie sind eingeschworene Verbündete im herrschenden Wind der Bequemlichkeit!«
»Hübsch gesagt«, antwortete der Anwalt vom Justizministerium lächelnd, »nur, dass dieser Satz ursprünglich von einem Engländer namens Blackstone stammt, Genosse.«
»Ich werde Ihre unerträgliche Anmaßung nicht weiter hinnehmen!«
»Das müssen Sie auch nicht, Genosse Priester , denn ich habe die Absicht zu gehen, und mein juristischer Rat an alle hier im Raum ist, das Gleiche zu tun.«
»Sie wagen es?«
»Mit Sicherheit«, entgegnete der sowjetische Anwalt und gönnte sich einen amüsierten Augenblick, indem er in die Runde sah und lächelte. »Sonst würde ich mich vielleicht
selbst anklagen müssen, und ich bin viel zu gut in meinem Job.«
»Das Geld!«, kreischte der Schakal. »Ich habe Ihnen allen Tausende geschickt!«
»Wo ist das festgehalten?«, fragte der Anwalt mit unschuldiger Miene. »Sie selbst haben sicher gestellt, dass es nicht nachzuvollziehen ist. Papiertüten in Briefschlitzen oder Büroschubladen mit der Anweisung, sie zu verbrennen. Wer von unseren Bürgern würde zugeben, sie dort zurückgelassen zu haben? Da winkt einem Lubjanka... Auf Wiedersehen, Genosse Monseigneur«, sagte der Anwalt des Justizministeriums, schob seinen Stuhl zurück und ging zur Tür.
Einer nach dem anderen der versammelten Gruppe folgte dem Anwalt, so wie sie gekommen waren, und jeder Einzelne drehte sich zu dem seltsamen Mann um, der ihr langweiliges Leben für kurze Zeit auf so bizarre Weise unterbrochen hatte, und jeder wusste instinktiv, dass er auf seinem Weg nichts als Ungnade und Gewalt finden würde. Den Tod.
Dennoch war keiner von ihnen vorbereitet auf das, was nun folgen sollte. Der Schakal drehte plötzlich durch. Innere Blitze elektrifizierten seinen Wahn. In seinen dunklen Augen brannte ein wildes Feuer das nur durch befreiende Gewalt gelöscht werden konnte - schonungslose, brutale, wütende Rache für all die Ungerechtigkeiten, die seinen reinen Absichten, die Ungläubigen zu töten, da angetan wurden! Der Schakal wischte die Dossiers vom Tisch und taumelte zum Stapel mit den Zeitungen. Er riss die tödliche Waffe hinter dem Papier hervor und brüllte: »Stopp! Alle!« Niemand kam seiner Aufforderung nach, und die psychopathische Energie des Killers bestimmte den Augenblick. Carlos drückte wiederholt den
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