Das Bourne Ultimatum
nach durchdringend an. »Wie sonst auch sollte ich das alles über Sie wissen?«
»Ich zweifle nicht an Ihren Worten«, fuhr die Nachrichtensprecherin fort, »aber als Journalistin muss ich immer nach einer zweiten Verifikationsquelle suchen, es sei denn, das Ministerium gibt andere Anweisungen. Da Sie nun aber nicht im Informationsministerium sitzen und in dem Wissen, dass alles, was Sie uns sagen, vertraulich bleiben wird: Können Sie uns eine zweite Quelle nennen?«
»Muss ich mich von manipulierten Journalisten hetzen lassen, wenn ich die Wahrheit sage?« Carlos schnappte wutentbrannt nach Luft. »Was ich Ihnen gesagt habe, ist die Wahrheit, und Sie wissen es.«
»Das waren die Verbrechen Stalins auch, und für dreißig Jahre wurden sie zusammen mit zwanzig Millionen Leichen begraben.«
»Sie wollen Beweise, Frau Journalistin? Ich gebe Ihnen Beweise. Ich habe die Augen und Ohren der Führer des KGB - namentlich des Generals Grigorij Rodtschenko. Ich sehe mit seinen Augen und höre mit seinen Ohren, und wenn Sie daran interessiert sind, die raue Wahrheit zu kennen: Er ist mir verpflichtet! Genau wie Sie!« Ein Rascheln ging durch das
Publikum, ein kollektives Zögern, eine Welle von leisem Räuspern. Wieder sprach die Nachrichtenjournalistin, diesmal sanft, die großen, braunen Augen waren auf den Mann in der Priesterrobe gerichtet.
»Sie mögen sein, was Sie sagen«, begann sie. »Aber Sie scheinen kein Radio zu hören. Vor etwa einer Stunde meldete Radio Moskau, dass General Rodtschenko heute morgen von ausländischen Kriminellen erschossen wurde... Es wurde außerdem gemeldet, dass alle hohen Offiziere des Komitet zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen werden, um die Umstände des Mordes am General näher zu besprechen. Die Einschätzungen gehen dahin, dass es außergewöhnliche Gründe dafür gegeben haben muss, dass ein Mann wie General Rodtschenko von ausländischen Kriminellen in eine Falle gelockt wurde.«
»Sie werden seine Akten zerfetzen«, fügte der vorsichtige Bürokrat hinzu und hob sich steif auf die Füße. »Sie werden alles unter das KGB-Mikroskop legen und nach diesen ›außergewöhnlichen Gründen‹ suchen.« Der Beamte sah den Killer im Priestergewand an. »Vielleicht wird man auch Sie finden. Und Ihre Dossiers.«
»Nein«, sagte der Schakal, dem der Schweiß auf die Stirn getreten war. »Nein! Das ist unmöglich, ich habe die einzigen Kopien dieser Dossiers - es gibt keine anderen!«
»Wenn Sie das glauben, Priester«, sagte der korpulente Mann vom Ministerium für militärische Versorgung, »dann kennen Sie das Komitet nicht.«
»Es kennen?«, rief Carlos, ein Zittern in der linken Hand. »Ich besitze seine Seele! Vor mir gibt es keine Geheimnisse, denn ich bin der Verwalter seiner Geheimnisse! Ich besitze Bände über die Regierungen überall, über die Führer, ihre Generäle, ihre höchsten Beamten - ich habe Ouellen auf der ganzen Welt!«
»Rodtschenko haben Sie nicht mehr«, fuhr der schwarzgekleidete Mann von der militärischen Versorgung fort, und auch er erhob sich von seinem Stuhl, »und wenn ich genauer darüber nachdenke... Es hat Sie im Grunde gar nicht überrascht.«
» Was? «
»Für die meisten von uns ist das Anstellen des Radios das Erste, was wir am Morgen tun. Es ist immer das Gleiche, doch ich nehme an, gerade darin liegt ein Trost. Die meisten von uns wussten von Rodtschenkos Tod... Nur Sie nicht, und als unsere verehrte Dame vom Fernsehen es Ihnen gesagt hat, da waren Sie weder erstaunt noch schockiert - nein. Sie waren nicht einmal überrascht.«
»Natürlich war ich das!«, rief der Schakal. »Was Sie nicht verstehen, ist meine Selbstkontrolle. Deshalb vertraut man mir, brauchen mich die Führer des Weltmarxismus!«
»Das klingt leicht abgestanden«, murmelte die graublonde Frau mittleren Alters, deren Sachgebiet die persönlichen Akten waren. Auch sie stand auf.
»Was sagen Sie da?« Carlos’ Stimme war jetzt ein scharfes, missbilligendes Flüstern, das schnell an Intensität und Lautstärke zunahm. »Ich bin der Monseigneur von Paris. Ich habe Ihnen das Leben weit über Ihre trostlosen Erwartungen hinaus bequemer gestaltet, und jetzt stellen Sie mich infrage? Wie sollte ich die Dinge wissen, die ich weiß? Wie hätte ich meine Energie und meine Mittel in Sie investieren können, wenn ich nicht einer der Meistprivilegierten in Moskau wäre? Denken Sie daran, wer ich bin!«
»Aber genau das ist es: Wir wissen nicht, wer Sie sind«, sagte
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