Das brennende Gewand
Ärmel tränkte sich mit Blut.
Almut drückte sich an die Wand, hoffend, dass sie niemandem in die Quere kam. Und sie wartete. Seltsam kalt und geduldig war ihr Geist, und seltsam vertraut lag der Hammer in ihrer Hand. Ein Werkzeug, das sie oft genug eingesetzt hatte.
Sie wusste damit umzugehen.
Sie brauchte den richtigen Augenblick.
Er kam.
Ramon hatte ihr den Rücken zugedreht, um zu einem mörderischen Aufwärtsstich anzusetzen.
Sie warf.
Das Eisen traf ihn zwischen den Schulterblättern.
Der Dolch flog aus seiner Hand, er stolperte aufstöhnend nach vorne, fing sich. Starrte Ivo an, der ihn mit eisigem Blick musterte. Ramon rammte ihm den gesenkten Kopf in den Magen und stürzte dann nach draußen.
Ivo folgte ihm.
Durch die Regenwand entschwanden beide Almuts Blicken.
Zitternd vor Entsetzen nahm sie das lange Messer auf und lehnte sich an die Wand.
Endlos schien sich die Zeit zu dehnen. Der Regen pladderte auf die Holzschindeln des Dachs, Wind heulte durch das Gebälk. Holz knackte und knisterte. Ihre Füße in den durchweichten Schuhen wurden kalt, das feuchte Gewand klebte an ihrer Haut. Es roch säuerlich nach Wein und nach Lehm.
Mit einem Knarren ging die Tür auf.
Sie fasste den Dolch fester.
»Begine?«, fragte die tiefe, innig ersehnte Stimme.
Erleichterung machte, dass ihre Knie nachgaben, und sie rutschte langsam die Wand hinunter.
Ein kräftiger Arm fing sie auf.
»Seid Ihr unverletzt?«
»Ja, fast. Und Ihr?«
»Ein Schnitt. Helft mir, ihn zu verbinden.«
»Ramon?«
Ein Knurren war die Antwort, während Almut mit dem Dolch den Ärmel von seinem Gewand trennte.
»Strauchelte am schlammigen Ufer und stürzte in den reißenden Bach. Sein Kopf schlug auf einen Stein.«
»So hat er dasselbe Ende gefunden wie jene, die er ersäuft hat.«
»Richtig.«
Der feste Wollstoff der Houppelande hatte verhindert, dass die Sehnen des Unterarms verletzt wurden, und aus ihrem Umschlagtuch schnitt Almut einen Stoffstreifen, um die blutende Fleischwunde zu verbinden.
»Der Regen wird weiter anhalten, der Bach ist weit über die Ufer getreten. Könnt Ihr reiten?«
»Nein.«
»Gut, dann kommt zu mir auf das Pferd. Wir wollen versuchen, zurück in die Stadt zu gelangen.«
Aber das erwies sich als unmöglich. Der Duffesbach war zum reißenden Gewässer geworden, und eine Furt im dichten Regen nicht auszumachen.
51. Kapitel
»Lasst uns in dem Heuschober dort abwarten, Herr. Die Nacht bricht bald herein.«
»Es wollte heute den ganzen Tag nicht heller werden. Ihr habt recht.«
Vollkommen durchnässt schoben sie das Tor auf und zerrten das Pferd mit hinein. Es war eine große Scheune, jetzt, im Sommer, aber fast leer. Das Winterheu war verbraucht, die Tiere weideten auf den Wiesen, die erste Mahd würde erst diesen Monat beginnen. Doch es war trocken und erstaunlich warm. Eine Leiter führte zum oberen Boden, auf dem noch eine Schicht trockenes Gras ausgebreitet lag. Ivo stieg nach oben und warf einige Büschel Heu hinunter, über die sich das Pferd dankbar hermachte. Dann rief er zu Almut hinunter: »Kommt hoch. Ich habe hier ein Nest entdeckt, das uns nutzen wird.«
»Ein Nest? Mäuse? Ratten?«
Ein erstaunlich aufgeräumtes Lachen erklang.
»Ein Menschennest, wie’s scheint. Mit einigen trockenen Decken.«
»Trocken, wahrhaftig?«
Almut kletterte die Leiter hoch und fand den Herrn vom Spiegel belustigt ein Heulager richten. »Ihr seht aus wie eine halb ertrunkene Katze, Begine. Legt Euer Gewand ab und hüllt Euch in dieses Wolltuch.«
Einsichtig zupfte sie an den Bändern, mit denen ihr Kleid geschnürt war, aber ihre Finger waren klamm und die Schnürung nass. Zwar hatte sich Ivo vom Spiegel taktvoll umgedreht, aber die Situation erschien ihr nicht angemessen, sich verschämt zu geben.
»Ihr werdet mir helfen müssen. Meine Finger versagen ihren Dienst.«
»Ah, schon wieder Fronarbeit!«, murrte er und trat hinzu, um ihr aus dem nassen Beginengrau zu helfen. Während sie sich die ebenfalls durchweichte Kotte auszog, sich in die Decke wickelte, den tropfenden Zopf löste und beide Kleidungsstücke zum Trocknen auf einer Holzschrage ausbreitete, hatte er ebenfalls seine Kleider abgelegt und sich die andere Decke umgelegt.
»Bedauerlich, dass wir kein Feuer machen können. Aber das Heu ist weich und warm. Kommt her, ich habe uns ein Polster gemacht.«
Almut ließ sich neben ihm nieder, und er legte den Arm um sie. Immer noch zitternd vor Kälte und Erschöpfung, lehnte sie sich an ihn
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