Das brennende Land
ihre Seele, hat das Licht der Erkenntnis gesehen! Sie hofft auf die Erlösung durch unseren Herrn! Sie hat unseren Heiland und Retter lieben gelernt, und ihr Gemahl hat ihre Bekehrung gebilligt.»
Ich sah ihn entgeistert an, verdarb ihm die Freude mit meiner abschätzigen Miene, doch Willibald ließ sich so schnell nicht entmutigen. Er setzte noch einmal an. «Versteht Ihr nicht, Herr? Wenn sie sich taufen lässt, dann wird er es früher oder später auch tun! So geht es häufig, Herr, zuerst findet die Frau das Heil, und dann folgt der Gemahl!»
«Er will uns nur einlullen, Pater», sagte ich. Der
Drachenfahrer
hatte sich wieder der Flotte angeschlossen, die stetig nordwärts ruderte.
«Der Jarl ist eine gequälte Seele. Er hat oft mit mir gesprochen.» Er hob seine Hände zum Himmel, über den mit klatschendem Flügelschlag Myriaden von Wasservögeln südwärts zogen. «Dort oben bei Gott herrscht Frohlocken, auch wenn nur ein einziger Sünder bereut. Und Haesten steht kurz vor der Erlösung. Und wenn ein großer Anführer konvertiert, dann folgen ihm seine Leute auf dem Weg Christi.»
«Großer Anführer?», höhnte ich. «Haesten ist nichts weiter als ein Earsling. Ein Scheißhaufen. Und gequält ist er auch nicht, außer von seiner Gier nach Reichtum. Wir werden ihn noch töten müssen.»
Willibald setzte sich, den Kopf schüttelnd über meinen Starrsinn, neben meinen Sohn. Bald unterhielten sie sich angeregt. Unwillkürlich fragte ich mich, weshalb sich Uhtred für ein Gespräch mit mir niemals so begeistern konnte. «Ich hoffe, Ihr vergiftet dem Jungen nicht das Hirn», rief ich ihm zu.
«Wir sprechen über Vögel, Herr», erklärte Willibald strahlend, «und wohin sie im Winter fliegen.»
«Und wohin fliegen sie?»
«Übers Meer?»
Es herrschte gerade Stillwasser beim Gezeitenwechsel, dann setzte die Flut ein, und mit ihr ruderten wir wieder flussaufwärts. Ich saß grübelnd auf der Steuerplattform, Finan stand am großen Steuerrad. Meine Männer ruderten kaum. Sie waren froh, dass sie sich von der Flut die Arbeit abnehmen lassen konnten, und sangen das Lied von Ägir, dem Meeresgott, und von Ran, seiner Frau, und von seinen neun Töchtern, denen man schmeicheln muss, wenn ein Schiff auf unruhigen Wassern sicher sein soll. Sie sangen das Lied, weil sie wussten, dass ich es mochte, aber die Melodie und die Worte erschienen mir trist und hohl, und ich fiel nicht ein in ihren Gesang. Ich betrachtete nur den Rauch der Kochfeuer über Lundene, der den Sommerhimmel verdunkelte, und ich wünschte mir, ein Vogel zu sein, der dort oben im großen Nichts verschwand.
Haestens Brief flößte Alfred neues Leben ein. Der Brief, so sagte er, sei ein Zeichen göttlicher Gnade, und Bischof Erkenwald pflichtete ihm erwartungsgemäß eifrig bei. Gott, predigte der Bischof, hatte die Heiden bei Fearnhamme erschlagen und nun ein Wunder in Haestens Herzen gewirkt. Willibald wurde mit einem Schreiben nach Beamfleot geschickt, in dem Haesten eingeladen wurde, mit seiner Familie nach Lundene zu kommen, wo sich Alfred ebenso wie Æthelred als Taufpaten für Brunna, Haesten den Jüngeren und den echten Horic zur Verfügung stellen würden. Niemand machte sich noch die Mühe vorzugeben, unsere taubstumme Geisel sei tatsächlich Haestens Sohn. Haestens Lüge verzieh man ihm ohne weitere Worte in der überschwänglichen Stimmung, die in Wessex herrschte, als dieser Sommer in den Herbst überging.
Ich nahm die taubstumme Geisel, der ich den Namen Harald gegeben hatte, in meinen Haushalt auf. Der Junge war sehr aufgeweckt, und ich ließ ihn in der Waffenkammer arbeiten, wo er eine hohe Begabung mit dem Wetzstein und große Wissbegierde in allen Fragen an den Tag legte, die mit Waffen zu tun hatten. Ich hatte auch Skade in meiner Obhut, weil niemand anderer sie zu sich nehmen wollte. Eine Zeitlang stellte ich sie in einem Käfig neben meiner Haustür zur Schau, doch war mir diese Erniedrigung nur ein schwacher Trost für ihren Fluch. Als Geisel war sie jetzt wertlos, denn ihr Geliebter saß auf der Insel Torneie fest. Eines Tages nahm ich sie auf einem der kleineren Schiffe, die wir oberhalb der eingestürzten Brücke von Lundene liegen hatten, mit stromauf.
Torneie war nicht weit von Lundene entfernt, und mit dreißig Männern auf den Ruderbänken erreichten wir den Fluss Colne noch vor der Mittagszeit. Langsam ruderten wir den kleineren Fluss hinauf. Es gab wenig zu sehen. Haralds Männer, es mochten kaum
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