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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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unabhängigen Nationalstaat als ihr oberstes politisches Ziel deklarierten.
    Vor allem angesichts der Tatsache, daß die indische Nationalbewegung in den Jahren des Ersten Weltkrieges wieder an Kraft gewonnen hatte, mußten sich die Reformen als Fehlschlag erweisen. Eine besondere Signalwirkung ging von dem 1916 in Lucknow geschlossenen Pakt zwischen dem Kongreß und der Moslem-Liga aus. Um den Preis eines festen Proporzes der Mandate für die moslemischen Minderheiten in den Provinziallandtagen konnte der Kongreß nun zumindest eine Zeitlang als Sprachrohr einer geschlossenen nationalen Allianz agieren. Hinzu kam, daß Großbritanniens Krieg gegen die Türkei für die Moslems auch ein Krieg gegen den Sultan als ihr religiöses Oberhaupt war und sie, die bislang die Briten als Schutzwall gegen eine drohende Majorisierung durch die Hindus betrachtet hatten, sich nun auch mit Überzeugung in die Front der indischen Nationalbewegung einreihen konnten.
    In deren Reihen war inzwischen die alte Führungsgarde, wie sie Banerjea und Naoroji, der dem Liberalismus zuneigende Gopal Krishna Gokhale oder auch der radikale Tilak verkörperten, durch die Repräsentanten einer neuen Generation abgelöst worden, unter denen schon bald Mohandas Gandhi eine führende Rolle spielte. Gandhi war 1869 im Gujarat im Nordwesten des Subkontinents zur Welt gekommen, sein Vater war leitender Minister des Zwergfürstentums Porbandar. Da er sich als Mitglied der Kaste der Kaufleute ohne Statusverlust frei in der Welt bewegen durfte, ging der Neunzehnjährige nach London. Dort studierte er Jura und beschäftigte sich, angeregt durch die Lektüre Tolstois, außerdem intensiv mit der christlichen Lehre. 1893 ging er als Jurist im Dienst einer indischen Handelsgesellschaft nach Südafrika, wo er sich beim Kampf der indischen Minderheit gegen gesetzliche Diskriminierungen schon bald als Organisator politischer Protestbewegungen, bei denen er Techniken eines gewaltlosen Widerstands entwickelte, einen Namen machte. Gleichzeitigt unterstützte er, der so zur Führungsfigur der Inder in Natal aufgestiegen war, die Briten aktiv im Burenkrieg, und später setzte er auf einen Sieg Großbritanniens im Ersten Weltkrieg. 1915 kehrte er nach Indien zurück, das er zunächst ein Jahr bereiste, um sich umfassend über das Land zu informieren, bevor er sich aktiv politisch engagierte. Zunächst organisierte er regionale Kampagnen und Streiks der Landbevölkerung und der Textilarbeiter. Ansonsten blieb er Loyalist und erwartete von Großbritannien, daß es nach dem Kriege Indien für seine Solidarität und seine Opfer angemessen entlohnen werde. Doch das Jahr 1919 brachte auch für Gandhi eine entscheidende Wende.
    In diesem Jahr mehrten sich nicht nur die Proteste gegen die halbherzige Reformpolitik der Briten, sondern die Szene war durch zunehmende Unruhen infolge einer durch das Kriegsende hervorgerufenen allgemeinen ökonomischen und sozialen Krise bestimmt. Darüber hinaus war die Lage durch die verheerenden Auswirkungen der weltweiten Grippeepidemie, der Millionen von Indern zum Opfer fielen, zusätzlich verschärft. Die britische Politik reagierte darauf mit zunehmender Nervosität: einerseits mit dem halbherzigen Reformangebot des Verfassungsgesetzes, gleichzeitig aber auch mit dem am 18. März 1919 verkündeten Rowlatt-Gesetz, das den britischen Provinzialgouverneuren Notstandsmaßnahmen wie z.B. die Verhaftung von ‹Aufwieglern› ohne Gerichtsbeschluß ermöglichte. In der dadurch erst recht verschärften Situation kam es besonders im Pandschab zu zahlreichen Demonstrationen und vereinzelten Gewalttaten. Am 11. April wurde in Amritsar die englische Missionsärztin Dr. Sherwood auf offener Straße vom Fahrrad gerissen und vom Mob bis zur Bewußtlosigkeit malträtiert. Daraufhin verhängte der britische Brigadegeneral Dyer den Ausnahmezustand. Als sich dennoch, einem Aufruf des Kongresses folgend, zwei Tage später ca. 20.000 Demonstranten zum Protest auf einem engen, von Mauern umsäumten Platz versammelten, ließ Dyer den Ort umstellen und ohne Warnung in die eingekesselte Menge feuern. 379 Tote und mehr als 1200 Verwundete wurden Opfer des Massakers. Anschließend wurden hochrangige Verdächtige öffentlich ausgepeitscht, und Inder durften die Stelle, an der Mrs. Sherwood überfallen wurde, nur noch auf allen Vieren kriechend passieren.
    In England war die Reaktion auf diese Politik der Gewalt, die Dyer nachträglich als eine bewußte Politik der

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