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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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verurteilt worden war, in Australien später als Geschäftsfrau ein ansehnliches Vermögen anhäufte und deren Porträt heute die Rückseite der australischen 20-Dollar-Note ziert.[ 20 ] Auf lange Sicht hin bildete das, was als Verlegenheitslösung im Zusammenhang eines überharten Systems des Strafvollzugs begonnen hatte, den Anfang einer Erfolgsgeschichte – sowohl im Hinblick auf die Resozialisierung vieler von denen, die im sozialen Umfeld des England der Industriellen Revolution straffällig geworden waren, als auch unter dem Aspekt der Expansion des überseeischen Reiches, denn die Nachkommen derer, die einst aus England verbannt worden waren, sollten sich in Zukunft als treue Anhänger des Empire erweisen.
    Allerdings: Um schon frühzeitig als Kolonie zu florieren, brauchte Australien auch freiwillige Auswanderer. Noch um 1820 lebten dort mehr Sträflinge als freie Siedler, und deshalb entwickelte die britische Regierung gemeinsam mit den Behörden in New South Wales Maßnahmen zur Förderung der Einwanderung. Zwischen 1832 und 1842 kamen 80 % von insgesamt 70.000 Einwanderern mit finanzieller Unterstützung der Londoner Regierung nach Australien. So wurden 1832 und 1836 Frauen, Handwerkern und Landarbeitern aus den Erlösen von Landverkäufen in der neuen Kolonie die Kosten für die lange Schiffspassage ersetzt, wobei die Auswahlkriterien deutlich zeigen, daß es auch in der Blütezeit des klassischen freihändlerischen Liberalismus zeitweise Ansätze zu einer Politik der staatlichen Lenkung gesellschaftlicher Prozesse gab.
    In diesem Zusammenhang fanden besonders die Vorschläge Edward Gibbon Wakefields weithin Beachtung, die dieser in seiner Schrift A Letter from Sydney. A View of the Art of Colonization für eine systematische Kolonisation Australiens entwickelt hatte. Wakefield gehörte zu dem Kreis der liberalen Empire-Reformer um Lord Durham. Sein Buch basierte allerdings nicht auf eigener Anschauung, sondern war während einer dreijährigen Gefängnishaft verfaßt worden, zu der er wegen Entführung einer Erbin verurteilt worden war. Damals hatte Wakefield Kontakte zu Mitgefangenen gepflegt, die ihm von ihren eigenen Erfahrungen berichten konnten, die sie als Sträflinge in Australien gemacht hatten. Doch letztlich orientierte sich sein Projekt an dem Vorbild der Kolonien des klassischen Griechenland. Dort waren nicht nur die Vertreter einer bestimmten sozialen Schicht oder Gruppe ausgewandert, wie etwa vornehmlich die Armen und Arbeitslosen im zeitgenössischen England, sondern die Kolonien der Antike waren spiegelbildliche Ableger des Mutterlandes gewesen. Und dementsprechend propagierte Wakefield die Verpflanzung kompletter Sektoren der englischen Gesellschaft in die überseeischen Kolonien – allerdings ohne deren Extreme, d.h. die aristokratische Spitze und den asozialen Bodensatz. Vielmehr solle in erster Linie der Mittelstand Berücksichtigung finden, denn nur so könnten in Übersee, und zwar speziell im pazifischen Raum, neue Englands entstehen, in denen die Institutionen, Gesetze, Sitten und Gebräuche des Mutterlandes lebendig seien. Für Australien sah er in diesem Zusammenhang durch die freigebige Vergabe von Land eine verhängnisvolle Fehlentwicklung eingeleitet, denn wo jeder ohne weiteres Eigentum an Grund und Boden erwerben könne, fehle es an jenen, die notgedrungen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Wakefield empfahl daher eine wirksame Anhebung der Bodenpreise in der Kolonie, damit die armen Einwanderer sich zunächst den Landbesitzern als Arbeiter verdingen müßten. Dadurch werde nicht allein der chronische Mangel an Arbeitskräften behoben, sondern zugleich einer vorschnellen Zersiedelung des Landes vorgebeugt und dessen adäquate Nutzung durch konzentrierte Erschließung gewährleistet. Darüber hinaus könne der Staat die durch den Landkauf erzielten Gewinne für die finanzielle Förderung weiterer Immigrationsprogramme einsetzen.
    Obwohl diese Vorschläge in England bei den zuständigen Behörden starke Beachtung fanden, ließen sie sich in Australien nur in Ansätzen verwirklichen, denn die hier frühzeitig mit weitgehenden Selbstbestimmungsrechten ausgestatteten Siedler sorgten schon bald dafür, daß in ihrem Interesse die Bodenpreise niedrig gehalten wurden. Wenn dadurch einerseits die Entstehung weitläufiger Farmen ermöglicht wurde, so zeichneten sich andererseits die australischen Kolonien in den für Europäer klimatisch günstigen Küstengebieten von Anfang an

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