Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
British Columbias die Pazifikküste erreicht. Schwieriger gestaltete sich der territoriale Abschluß an der westlichen Atlantikküste. Bereits 1867 hatte die überwältigende Mehrheit eines neugewählten Provinzialparlaments in Neuschottland für den Austritt aus der Union gestimmt, den allerdings das Londoner Kolonialministerium verweigerte. Erst als der Sprecher der Separatisten in das Bundeskabinett aufgenommen wurde, entschärfte dies die Lage. 1873 konnte dann auch die Prinz-Edward-Insel durch erhebliche finanzielle Zuwendungen im Eisenbahnbau für den Beitritt gewonnen werden. Neufundland hingegen blieb weiterhin britische Kolonie, wurde 1918 Dominion, und es dauerte bis 1949, daß endlich in einer Volksabstimmung eine knappe Mehrheit für den Anschluß an Kanada votierte.
Mit dem Erwerb der ausgedehnten Landmasse im Westen war Kanada bereits 1871 der zweitgrößte Flächenstaat nach Rußland geworden. Dem entsprach jedoch vorerst nicht seine Bedeutung für das Empire als Wirtschaftsverbund, zumal weite Strecken unwirtlicher halbarktischer Regionen keine Siedlungen zuließen. Die unverhältnismäßig reichen Bodenschätze, wie Kohle im Westen und Nickel und Kupfer nördlich der Großen Seen, wurden erst relativ spät erschlossen, und die Industrialisierung kam nur mühsam in Gang. Waren anfangs der Pelzhandel und die Fischerei die wichtigsten Erwerbsquellen, so wurden es im 19. Jahrhundert die Holz- und Landwirtschaft. Als 1807 Napoleon durch seine Kontinentalsperre den englischen Import von Holz für den Schiffbau aus dem Ostseeraum zum Erliegen brachte, füllten, begünstigt durch entsprechende Präferenzzölle, Importe aus der amerikanischen Kolonie die Lücke, obwohl die Stämme oft mehr als 500 Kilometer flußabwärts geflößt werden mußten, ehe sie nach England verschifft werden konnten. Später, als nach 1870 mit dem fortschreitenden Eisenbahnbau die ausgedehnten Prärien im Westen für die Landwirtschaft erschlossen wurden, gewann der Export von Weizen und Schlachtvieh zunehmend an Bedeutung, wobei der englische Markt den Hauptabnehmer stellte.
Unter gesamtwirtschaftlichem Aspekt blieb dabei die ökonomische Rolle Kanadas im Empire über das ganze Jahrhundert hin nahezu unverändert: Nachdem zwischen 1814 und 1819 noch 19,9 % der britischen Exporte in das Empire nach Kanada gingen, betrug diese Quote um die Jahrhundertmitte sowie in den Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges 13,2 %. Ähnliches gilt für die britischen Importe aus dem Raum des Empire, von denen Kanada 1854–1857 jeweils 16 % und 1909–1913 15,8 % bestritt.
Zur Zeit des politischen Zusammenschlusses betrug die Einwohnerzahl gut dreieinhalb Millionen, d.h. die Bevölkerung hatte seit 1815 um mehr als das Fünffache zugenommen, übertraf aber noch nicht die des zeitgenössischen London, sollte dann allerdings bis 1914 auf über acht Millionen anwachsen. Ähnlich wie in den USA war der Anteil der indigenen indianischen Einwohner, der sich 1815 noch auf 20 % belaufen hatte, 1911 mit nur noch 100.000 auf knapp 2 % reduziert worden. Wenn auch nicht systematisch ausgerottet, so waren sie doch immer mehr in Randzonen abgedrängt worden, nachdem man sie ihrer ursprünglichen Lebensgebiete beraubt hatte; so wartete z.B. der Stamm der Missisauga, den man 1805 gezwungen hatte, sein Land nördlich des Ontariosees zu veräußern, noch hundert Jahre später vergeblich auf Zahlung des Kaufbetrages.[ 16 ] Demgegenüber hatten sich die Nachkommen der ersten französischen Siedler und Waldläufer durchweg behauptet. Durch ihre Geburtenhäufigkeit war ihre Zahl schon vor 1814 von 100.000 zur Zeit der amerikanischen Revolution auf 330.000 angewachsen, und sie betrug 1911 über zwei Millionen, wobei sie nach wie vor auf die Provinz Québec konzentriert waren.
Nachdem die Frankokanadier anfangs noch die Mehrheit der Gesamtbevölkerung Britisch-Nordamerikas gebildet hatten, waren sie durch den ständigen Strom britischer Einwanderer um die Mitte des Jahrhunderts in die Position einer stets einflußreichen Minderheit gedrängt worden. Knapp 2,5 Mio. hatten Großbritannien in der Zeit zwischen 1815 und 1914 in Richtung Kanada verlassen, wobei allerdings nicht eindeutig auszumachen ist, wie viele dieser Immigranten später über die Grenze in die USA gingen, deren umfangreiche intensive Industrialisierung eine stete Nachfrage nach immer neuen Arbeitskräften zur Folge hatte. Schließlich zählte man bei dem Zensus des Jahres 1911 im Westen
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