Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
die Gegend an die Südküste von Wales erinnert, weshalb die erste australische Kolonie später den Namen New South Wales erhielt. Und Sir Joseph Banks, der langjährige Präsident der Royal Geographical Society, der Cook auf seiner Reise begleitet hatte, fügte dem später noch hinzu, daß die wenigen Eingeborenen, die man dort angetroffen hatte, zweifelsohne «das Land rasch an die Neuankömmlinge abtreten würden».[ 19 ]
Dergleichen Einschätzungen wurden von der britischen Regierung bereitwillig aufgenommen, als sie sich nach dem Verlust der amerikanischen Kolonien auf der dringlichen Suche nach geeigneten Gebieten für die Deportation einheimischer Sträflinge befand. Seit 1718, als nach dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Depression die Zahl der Eigentumsdelikte sprunghaft anstieg, ging die englische Justiz dazu über, statt der eigentlich fälligen Todesstrafe, die bereits für den Diebstahl von Objekten im Wert von einem Schilling verhängt werden konnte, die Delinquenten in den meisten Fällen zur Zwangsarbeit in den amerikanischen Kolonien zu verurteilen. Bis zum Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges hatten so ca. 45.000 englische und irische Sträflinge den Atlantik überquert. Als diese Möglichkeit entfiel, befand sich die englische Justiz vorübergehend in einer Zwangssituation. Mit dem wachsenden Bevölkerungsdruck und der sich verschärfenden sozialen Krisensituation im Lande stieg die Kriminalitätsrate. Die Zahl der Hinrichtungen ließ sich nicht ohne weiteres beliebig erhöhen, und auch der vorübergehende Einsatz von ausgedienten Schiffen als schwimmende Gefängnisse bewährte sich nicht. Um so bereitwilliger ergriff man die Gelegenheit, die sich nun mit einer australischen Alternative anbot. Am 13. Mai 1787 verließ eine Flotte von elf Schiffen den Hafen von Portsmouth mit insgesamt 756 Sträflingen an Bord, darunter 188 Frauen sowie ein neunjähriger Schornsteinfegerbub, der ein paar Kleider sowie eine Pistole gestohlen hatte, und eine 82jährige, des Meineids überführte Lumpensammlerin. Trotz der beengten Verhältnisse an Bord starben nur 33 von ihnen auf der acht Monate währenden Überfahrt. Die anderen landeten mitten im heißen australischen Sommer in Botany Bay, wo man keineswegs die von Banks geschilderten paradiesischen Verhältnisse antraf, denn Cook war seinerzeit dort im Mai gelandet. Und wie einst in Nordamerika, so waren auch hier die Anfänge schwierig, und erst die Ankunft einer zweiten Flotte im Jahr 1790 rettete die Siedlung vor dem allgemeinen Hungertod. Allmählich realisierte man in England, daß ein Straflager sich nicht ohne weiteres in eine sich selbst versorgende Siedlung umwandeln ließ. Bis 1800 kostete die Unternehmung den britischen Staat ungefähr eine Million Pfund, die zum großen Teil dafür aufgewendet wurden, die ersten Hafenanlagen und die Anfänge des Straßennetzes des heutigen Sidney von mittlerweile insgesamt 5000 Strafgefangenen bauen zu lassen.
Insgesamt wurden ca. 160.000 Personen nach Australien verfrachtet, bis um die Jahrhundertmitte die Deportationen eingestellt wurden. Bereits 1804 hatte man in Van Diemen’s Land – der heutigen Insel Tasmania – eine weitere Strafkolonie eingerichtet, und als England, vorwiegend aus strategischen Überlegungen, auch an der Südspitze Westaustraliens seine territorialen Ansprüche durch erste Ansiedlungen zu untermauern begann, verlangten die dort seit 1826 siedelnden Kolonisten schon bald Sträflinge als Arbeitskräfte.
Die Bedingungen für die Häftlinge waren von Ort zu Ort durchaus unterschiedlich, in New South Wales etwa in der Regel erträglich, härter hingegen auf Van Diemen’s Land. Und wer erneut straffällig wurde, dem drohte die Verlegung in eines der berüchtigten Straflager wie etwa Norfolk Island, wo sadistische Kommandanten den Insassen das Leben zur Hölle machten. Normalerweise erhielten die Deportierten die Gelegenheit, sich bereits vor dem Ende ihrer Strafzeit gegen Lohn zu verdingen, um danach gegebenenfalls ein Stück Land zu erwerben. Nicht nur wegen der langen Reise zurück in die Heimat kehrten weniger als 10 % nach Verbüßung ihrer Strafe nach England zurück. Die meisten blieben im Lande, denn im Vergleich zum Mutterland bot sich ihnen hier eher die Chance, ein neues Leben zu beginnen. Vereinzelte brachten es sogar zu Reichtum und Ansehen, darunter eine gewisse Mary Reibey, die als Dreizehnjährige wegen Pferdediebstahls
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