Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
durch ein hohes Maß von Urbanisierung aus. Wie Sidney ging auch Brisbane aus einer Strafkolonie hervor (1824), im Westen wurde Perth (1829) gegründet, im Südwesten Melbourne (1836) und Adelaide (1837).
Schließlich waren es zwei Faktoren, die nicht nur die Existenz der neuen Kolonie sicherten, sondern auch deren wirtschaftlichen Aufschwung begründeten: Wolle und Gold. Bereits 1790 hatte man die ersten Merinoschafe aus Südafrika importiert, von denen in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts ca. 17 Millionen auf neu gegründeten riesigen Farmen weideten und mit ihrer Wolle ein Produkt lieferten, das den Vorzug besaß, nahezu unbegrenzt lagerfähig zu sein und dessen Transportkosten im Vergleich zum Warenwert kostengünstig waren, so daß es trotz des langen Weges nach England dort reißenden Absatz fand. Denn als Leitsektor der Industrialisierung konnte die rapide expandierende englische Textilindustrie ihren Bedarf an Wolle schon längst nicht mehr aus heimischen Rohstoffen decken. So lieferte Australien um die Mitte des Jahrhunderts Wolle im Wert von ca. 100 Mio. Pfund jährlich, was im Durchschnitt fast 50 % des Gesamtexports der australischen Wirtschaft ausmachte. Und dann entdeckte ein gewisser Edward Hargraves, der zuvor auf den Goldfeldern Kaliforniens erste Erfahrungen gesammelt hatte, 1851 in New South Wales das begehrte Edelmetall. Bald darauf stießen andere in der kürzlich begründeten Kolonie Victoria in der Nähe von Melbourne auf reiche Vorkommen, die zudem so günstig lagen, daß sie ohne großen Kapitaleinsatz leicht auszubeuten waren. Und so wurde Gold während der nächsten fünfzehn Jahre zum Hauptexportartikel Australiens, denn man schürfte hier während dieser Zeit insgesamt ca. 75.000 Tonnen Gold, d.h. ein Drittel der Weltproduktion.
Als durch den Goldrausch die Zahl der Einwanderer sprunghaft in die Höhe schnellte und in den 50er Jahren mehr als 300.000 neu ins Land strömten, stieg die Gesamtzahl der weißen Einwohner 1861 auf über eine Million, von denen allerdings noch über 50 % in Großbritannien geboren waren. Fünfzig Jahre später, als man mehr als 4 Millionen zählte, waren von denen bereits über 80 % gebürtige Australier. Die Opfer dieser Entwicklung waren wie in Nordamerika auch hier die Ureinwohner. Als die ersten Europäer auf dem fünften Kontinent landeten, betrug deren Zahl ca. eine dreiviertel Million. 1815 war diese Zahl um ein Drittel zurückgegangen, und 1861 waren es wahrscheinlich nur noch 250.000 Aborigines. Ihre Jagdgebiete waren in erster Linie der expandierenden Schafzucht zum Opfer gefallen. Wann immer die Eingeborenen sich mit unzulänglichen Mitteln gegen die Eindringlinge zu wehren versuchten, wurden sie gewaltsam vertrieben, bzw. ermordet. Auch wenn in London das Parlament 1838/1839 offiziell Schutzbeauftragte für die Ureinwohner in New South Wales und West Australien ernannte (Aboriginal Protectors), so führten die Farmer und Viehzüchter vor Ort dennoch einen fortwährenden Kleinkrieg gegen die Einheimischen, der gelegentlich Ausmaße eines Genozids annahm. Dabei fühlte man sich durchaus im Recht, denn die Aborigines wiesen offenkundig alle Angebote der europäischen Zivilisatoren zurück. So weigerten sie sich, mit englischen Missionaren auch nur Kontakt aufzunehmen, und als z.B. 1815 Gouverneur MacQuarie versuchte, die Mitglieder eines kleinen Stammes nach europäischem Muster auf einer Farm anzusiedeln, verschwanden diese schon bald wieder im Busch. Am härtesten traf es die Ureinwohner von Tasmanien. Die ursprünglich 4–6000 wurden zunächst durch einen regelrechten Feldzug dezimiert, der Rest auf kleinen Inseln interniert, wo sie dann den eingeschleppten Infektionskrankheiten zum Opfer fielen und damit für britische Zeitgenossen den Beweis für die Lehre Darwins antraten, derzufolge nur das Lebensfähige überlebt. Der letzte ihres Stammes starb 1876. Auf dem australischen Festland existierten zu Anfang des 20. Jahrhunderts zwar immerhin noch ca. 75.000, doch sie waren zumeist in unwirtliche Reservate zurückgedrängt, das australische Bürgerrecht wurde ihnen verweigert und ihre Zahl erschien nicht einmal im offiziellen Zensus des Landes. So betrachtet galt Australien im Verständnis der Zeitgenossen als ‹weiße britische Siedlungskolonie›.
Ähnlich wie in Kanada erhielten die Siedler auch in den australischen Besitzungen relativ früh das Recht auf weitgehende Selbstverwaltung. Als 1823 dem Gouverneur von New South Wales
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