Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
ein vorerst noch aus nominierten Mitgliedern bestehender Rat zur Seite gestellt wurde, markierte dies zunächst den Statuswandel vom Gefängnis zur Kolonie. Nachdem diese Ratsversammlung 1842 durch gewählte Mitglieder erweitert worden war, forderte man schon bald Ministerverantwortlichkeit nach kanadischem Vorbild, die dann durch die Australian Colonies Government Act von 1850 gewährt wurde. Gleichzeitig wurde die endgültige Aufteilung in die einzelnen Kolonien eingeleitet. 1856 besaßen dann neben New South Wales auch Tasmania, South Australia, Victoria, seit 1859 Queensland und 1890 schließlich Western Australia Verfassungen, in denen den Siedlern demokratische Rechte verbrieft waren, die teilweise weit über die englische Verfassungswirklichkeit hinausgingen. So hatten z.B. liberale Kräfte in Victoria bereits 1856 und zwei Jahre später in New South Wales das allgemeine, geheime Männerwahlrecht durchgesetzt; in South Australia war die Legislaturperiode der Parlamente auf drei Jahre begrenzt, und hier hatte man sogar nach amerikanischem Vorbild die strenge Trennung von Staat und Kirche verfügt.
Es dauerte in Australien allerdings länger, bis sich, dem kanadischen Vorbild folgend, die einzelnen Kolonien zu einer politischen Union zusammenschlossen, fehlten doch dazu als wesentliche Voraussetzungen die nötigen Anreize. Denn die australischen Kolonien hatten ihre Schwerpunkte an den Küsten, ihre Zentren waren Hafenstädte, die vornehmlich nach London hin orientiert waren. Demgegenüber existierten kaum nennenswerte inneraustralische Verkehrsverbindungen; der 1854 einsetzende Eisenbahnbau blieb auf regionale Linien beschränkt. Erst unter dem Eindruck einer veränderten politischen Weltlage im Zeitalter des Imperialismus, in der mit Frankreich und dem Deutschen Reich europäische Rivalen in den pazifischen Raum vordrangen, kam es verstärkt zu Initiativen für einen föderativen Zusammenschluß. 1897 einigten sich die Premierminister der einzelnen australischen Kolonien auf einen vom Volk zu wählenden Ausschuß, der im folgenden Jahr die Arbeit an einer Bundesverfassung aufnahm. Dabei orientierte sich die Kommission eher an dem Vorbild der USA als an Kanada, denn die Einzelstaaten strebten ein höheres Maß an Eigenständigkeit an und waren lediglich dazu bereit, gewisse einzelne Rechte an den Bund abzutreten. Zugleich betonte der Verfassungsentwurf ein im Vergleich zu Kanada höheres Maß an Unabhängigkeit des neuen Mitgliedstaates gegenüber der Londoner Reichszentrale. Dennoch stimmte das Londoner Parlament dem allen zu und verabschiedete 1900 die Commonwealth of Australia Act. Wenn hier im Vergleich zum kanadischen Dominion von einem Commonwealth die Rede ist, dann besitzt dieser Begriff durchaus eine republikanische Note, weckt er doch Erinnerungen an das Commonwealth der englischen Revolution des 17. Jahrhunderts.
Obwohl die Insel Neuseeland – einst von ihren niederländischen Entdeckern nach ihrer heimatlichen Provinz Seeland so benannt – von Sidney nicht weiter entfernt ist als die australische Westküste, und obgleich sie zeitgleich mit Australien britische Kolonie wurde, trat sie 1901 nicht dem Commonwealth of Australia bei. Dies lag an den Besonderheiten einer historischen Entwicklung, die sich in vielem von der der australischen Besitzungen unterschied.
Hier standen nicht Sträflingskolonien am Anfang, sondern wie auf den meisten Inseln des Pazifik bildeten die Aktivitäten von Seehund- und Walfängern sowie Händlern und Missionaren die Vorhut europäischer Landnahme. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts nahmen erste britische Schiffe in den Häfen der Nordinsel Ladungen von Flachs und Holz an Bord, und 1792 erlegte die Mannschaft des Seglers Britannia in den Buchten des äußersten Südwestens im Laufe von neun Monaten viereinhalbtausend Seehunde. Den Händlern folgten Missionare auf dem Fuß, die 1814 und 1819 die beiden ersten Missionsstationen errichteten. Erste Siedler setzten von Australien über; zu Beginn der 30er Jahre waren es ein- bis zweitausend, zumeist hartgesottene Exsträflinge, so daß Charles Darwin, als er auf seiner Weltumseglung hier Station machte, feststellte: «… die Engländer dort sind überwiegend der Ausschuß der Gesellschaft»;[ 21 ] und in der Tat führte deren rücksichtslose Landnahme schon bald zu zahlreichen Konflikten mit den Eingeborenen.
Denn im Gegensatz zu Australien und auch zu den ersten Koloniegründungen in Nordamerika trafen die Europäer auf
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