Das Bronze-Bataillon
wenn er einfach nur liegen geblieben wäre. Im genau demselben Augenblick, in dem er in eine aufrechte Position hochgeschossen war, packten ihn zwei Marines und pressten ihn sofort wieder zu Boden. Noch bevor Roger begriff, was hier eigentlich los war, saßen schon drei weitere Soldaten auf seiner Brust, und weitere umringten ihm mit gezogenen Waffen, mit denen sie den gesamten Umkreis abdeckten.
»Runter von mir, verdammt noch mal!«, schrie er, doch es war nutzlos. Seine Befehlsgewalt war offenkundig eingeschränkt: Die Marines billigten ihm kleinere Entscheidungen zu, etwa ob sie selbst am Leben blieben oder verreckten, aber nicht wirklich wichtige, wie etwa die, ob er , der Prinz, überlebte oder starb. Sie ignorierten seine wütend hervorgestoßenen Forderungen so vollständig, dass ihm letztendlich keine andere Wahl blieb, als angesichts der Absurdität dieser Situation in belustigtes Glucksen auszubrechen.
Mehrere Minuten vergingen, und dann schien der Menschenhaufen zu explodieren, als Arme und Beine wieder voneinander gelöst wurden. Einige Witzeleien wurden ausgetauscht, die er geflissentlich überhörte; dann half ihm jemand auf die Beine. Mehr nebenbei bemerkte Roger, dass es so dunkel war wie nachts in einer Mine, und er fragte sich schon, was sie dazu gebracht haben mochte, ihre Meinung zu ändern und ihn doch aufstehen zu lassen, als jemand ihm seinen Helm aufsetzte und den Restlichtverstärker seines Visors aktivierte. Pahner stand im Zelteingang.
»Also«, erklärte der Captain müde, »wir hatten Besuch von den Vampiren, die Euer Freund erwähnt hat.«
Der Grenadier war zweiundzwanzig Jahre alt, etwas größer als einhundertsiebzig Zentimeter, und wog laut Akte neunzig Kilo. Er war auf New Orkney geboren, besonders auffallend war das leicht rötliche Haar, das dicht auf seinen sommersprossigen Handrücken wuchs.
Jetzt wog er keine neunzig Kilo mehr, und die sommersprossigen Hände wirkten skelettartig und gelblich im Schein der Taschenlampen.
»Was auch immer das war«, meinte Kosutic, »es hat ihn so in etwa bis auf den letzten Blutstropfen ausgesaugt.« Sie schob den Chamäleonstoff seiner Uniform hinauf und deutete auf punktförmige Wunden auf seiner Bauchdecke. »Die sind alle über den Arterien«, verkündete sie dann, drehte den Kopf des Leichnams zur Seite, um auf die Wunden am Hals zu zeigen. »Zwei kleine Wunden, gleich nebeneinander. Der Abstand entspricht in etwa dem der Eckzähne eines Menschen, vielleicht liegen sie auch ein bisschen näher beieinander.«
Pahner wandte sich an den Lance Corporal, die mit dem Grenadier eine Gruppe gebildet hatte. Im Schein der Lampen blickte die Marine mit steinerner Miene den Kompaniechef und den Zugführer an, während zu ihren Füßen ihr toter Kamerad lag.
»Erzählen Sie es noch einmal!«, forderte Pahner sie mit eiserner Geduld auf.
»Ich habe nicht das Geringste gehört, Sir. Ich habe nicht das Geringste gesehen. Ich habe nicht geschlafen. Private Wilbur hat keinerlei Laut von sich gegeben, noch waren irgendwelche bemerkenswerten Geräusche oder Laute aus der Richtung zu hören, in der sein Schlafsack gelegen hat.«
Sie stockte.
»Ich … ich habe vielleicht etwas gehört, aber das war so leise, dass ich nicht weiter darauf geachtet habe. Das war wie bei diesen Gehörtests, wo man nicht wirklich weiß, ob man überhaupt etwas gehört hat oder nicht.«
»Und was war das?«, fragte Kosutic, die in der Zwischenzeit das Biwak-Zelt untersuchte, um vielleicht irgendeine Spur zu finden, was da so lautlos und tödlich in das Lager eingedrungen war und es ebenso unbemerkt auch wieder verlassen hatte. Die kleinen Einmann-Zelte waren wie übergroße Schlafsäcke geformt, die gerade genügend Platz für eine Person mit ihrer Ausrüstung boten. Was auch immer den Private getötet hatte, war in das Zelt eingedrungen, ohne eine einzige Spur zu hinterlassen, und ebenso war es auch wieder verschwunden.
»Das … hat geklungen wie … eine Fledermaus«, gab die Plasmakanonenschützin unglücklich zu; ihr war voll und ganz bewusst, wie sich das für die anderen anhören musste. »Ich habe mir nichts dabei gedacht.«
»Eine Fledermaus«, wiederholte Pahner langsam.
»Ja, Sir«, bestätigte die Marine. »Ich habe einmal ein ganz leises Flügelschlagen gehört. Ich habe mich umgesehen, aber es hat sich nichts bewegt.« Sie stockte und schaute ihre Vorgesetzten an, die im Halbkreis vor ihr standen. »Ich weiß, wie das klingt, Sir …«
Pahner nickte
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